Plenarrede zur Verlängerung des UN-Mandats im Libanon

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Anwesenheit deutscher Soldaten vor der libanesischen Küste ist nicht selbstverständlich. Angesichts der deutschen Vergangenheit bleibt die Stationierung deutscher Soldaten an Israels Grenzen ein Wagnis. Deshalb lehnten einige Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion vor zwei Jahren den Einsatz deutscher Soldaten ab. Wenige Abgeordnete werden dies heute wieder tun. Ich respektiere deren Entscheidung. Gleichwohl komme ich bei der Gewichtung der Argumente zu einem anderen Ergebnis.

Wir wissen, dass gewaltsam ausgetragene Konflikte nur politisch befriedet können werden. Vorher müssen aber die Waffen schweigen. Nach meinem Verständnis ist die Absicherung der Waffenruhe der Kernauftrag von UNIFIL.

Die Mission im Libanon bleibt gefährlich. Rund 50 Soldaten der internationalen Schutztruppe kamen in den vergangenen zwei Jahren ums Leben oder wurden verletzt. Im Südlibanon sterben weiterhin Menschen durch Minen und Streubomben. Das ist das schreckliche Erbe eines Krieges, den unverantwortliche Männer provoziert und geführt haben.

Die politische Bilanz von UNIFIL ist gemischt: Der Waffenschmuggel wurde nicht unterbunden, und die Lage an der Blauen Linie bleibt angespannt. Israel hält Gebiete im Libanon weiterhin besetzt und überfliegt libanesisches Hoheitsgebiet. Das Grenzmanagement steckt noch in den Anfängen.

Dennoch gibt es Erfolge: Es konnte vor allem ein Wiederaufflammen der Kämpfe verhindert werden, Flüchtlinge kehrten zurück, Kriegsschäden wurden beseitigt und Minen geräumt. Die Menschen müssen nicht stündlich um ihr Leben fürchten. Die Kinder gehen wieder zur Schule. Der mühsame Alltag gewinnt neue Konturen. Die Libanesen hoffen auf eine bessere Zukunft.

Das hat UNIFIL nicht allein geschafft. Doch ohne die Friedensmission wären diese Fortschritte kaum möglich gewesen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Erst vor wenigen Wochen konnte der Libanon eine gefährliche innenpolitische Krise bewältigen. Zahlreiche blutige Anschläge, die Unfähigkeit gewaltbereiter libanesischer Politiker zum Kompromiss und der Einfluss externer Akteure brachten das Land an den Abgrund eines neuen Bürgerkrieges.

Heute hat der Libanon eine begrenzte Stabilität erreicht. Obwohl die Lage angespannt bleibt, sind die Wahl eines Staatspräsidenten und die Bildung einer Allparteienregierung wichtige positive Signale. Die größten Herausforderungen aber bleiben eine handlungsfähige und verantwortungsvolle Regierung in Beirut, der Wille zur Verständigung und die Demilitarisierung des Alltags sowie gewaltbereiter Gruppen. Ich setze große Hoffnungen in den nationalen Dialog und die bevorstehenden Parlamentswahlen.

In diesem Zusammenhang möchte ich mit Erlaubnis des Präsidenten einige Kolleginnen und Kollegen aus dem Libanon ganz herzlich begrüßen, die auf Einladung der Bundesregierung im Rahmen des Gästeprogramms unsere heutige Debatte auf der Zuschauertribüne verfolgen.

(Beifall)

Ich freue mich, dass sie gerade zum Thema Wahlrechtsreform bei uns sind. Es ist wichtig, dass wir unsere Hoffnungen äußern und den Libanon unterstützen.

Eine wichtige Voraussetzung für das Aufweichen der Blockaden im Nahen Osten war ein Umdenken in den USA. Nach Jahren der Gleichgültigkeit engagiert sich die Regierung in Washington wieder mit diplomatischen Mitteln und Initiativen. Auch die Verantwortlichen in Washington mussten akzeptieren, dass es ohne Syrien keine Fortschritte geben kann. Die Einladung einer syrischen Delegation nach Annapolis war daher folgerichtig und notwendig.

Es war der deutsche Außenminister, der seine amerikanische Kollegin von dieser Geste überzeugen konnte, und es war Frank-Walter Steinmeier, der in Syrien für eine konstruktive Mitarbeit geworben hat.

(Beifall bei der SPD -  Volker Kauder (CDU/CSU): Supertyp!)

Das waren kluge, starke und ausgewogene Botschaften. Sie waren nicht ohne Risiko. Doch eine Außenpolitik, die nur auf schöne Bilder setzt, schafft keine Veränderungen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn man sich in der Politik an Kriterien wie Zuneigung/Abneigung oder gut/böse ausrichtet, verleitet dies zu Fehlurteilen, gerade im Nahen Osten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

In Zeiten neuer Spannungen brauchen wir eine Politik, die zur Entspannung beiträgt. Deshalb hätte ich mir gewünscht, dass Frank-Walter Steinmeier von Anfang an die Unterstützung der gesamten Bundesregierung gehabt hätte.

(Beifall bei der SPD)

Vor wenigen Wochen haben Syrien und der Libanon die Absicht geäußert, diplomatische Beziehungen zueinander aufzunehmen; das ist eine gute Nachricht. Mehr noch: Syrien und Israel verhandeln unter Vermittlung der Türkei über Frieden. Hätte die Waffenruhe im Länderdreieck nicht gehalten, wären solche Fortschritte unwahrscheinlich gewesen. UNIFIL hat hier politische Lösungen mit ermöglicht.

Bei uns haben einige die Mission allein mit Sicherheitsinteressen Israels begründet. Diese Aussage ist aus meiner Sicht missverständlich und engt den Handlungsspielraum der Politik ein. Zweifellos fördert die Waffenruhe auch die Sicherheit Israels. Aber das Mandat ist ebenso ein Instrument, um die Integrität und die Souveränität des Libanon zu stärken. Ohne UNIFIL hätte Israel die Seeblockade nicht beendet. Erst die internationale Mission hat der libanesischen Innenpolitik neue Spielräume eröffnet.

Im Übrigen wird Israel erst dann Sicherheit finden, wenn es mit seinen Nachbarn in Frieden lebt. Dafür braucht es politischen Willen und Mut sowie die Fähigkeit zum Kompromiss auf allen Seiten.
UNIFIL ist im Kern eine klassische Blauhelmmission. Das Mandat unterstreicht die Verantwortung der Vereinten Nationen als Hüter der internationalen Sicherheit. Deshalb war ich vor zwei Jahren enttäuscht, als die FDP nahezu geschlossen das Mandat ablehnte. Es waren damals ganz offensichtlich innenpolitische Gründe, die ihr Nein motivierten. Ihr Spielraum, ihr Verhalten heute zu ändern, ist deshalb begrenzt. Das ist bedauerlich; denn UNIFIL hätte eine breite Mehrheit im deutschen Parlament verdient.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auch die Linke hätte UNIFIL zum Beginn eines außenpolitischen Lernprozesses machen können. Andere Linksparteien hatten dem Mandat von Beginn an zugestimmt. Im Gegensatz zu Ihnen wissen diese Parteien, dass UN-Friedenstruppen dann sinnvoll sind, wenn sie das Töten stoppen und den Rahmen für Stabilität bilden. Die Linke wird an dieser grundsätzlichen Frage nicht vorbeikommen. Konstruktiver Pazifismus erschöpft sich nicht im Antimilitarismus. Begrenzte militärische Beiträge können den Aufbau ziviler Strukturen und Mentalitäten erleichtern. Das kann aber nur erkennen, wer verantwortlich handeln will. Doch die Linke ist die Gefangene eines Mannes, der Verantwortung scheut.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundeswehrangehörigen, die im Rahmen von UNIFIL ihre Arbeit tun, tragen Verantwortung. Wir können ihnen die Last nicht abnehmen. Wir können aber dazu beitragen, dass die Mission breite Akzeptanz findet. Wenn es dann noch gelingt, zu helfen, den Libanon zu stabilisieren und Frieden im Nahen Osten zu fördern, dann haben wir die Chancen der UNIFIL-Mission genutzt. Deshalb ist die Verlängerung des Mandats um weitere 15 Monate gerechtfertigt. Ich bitte um Ihre Zustimmung.

Vielen Dank.

 

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Veröffentlicht: 
Berlin, 17.09.2008
Thema: 
Zur Verlängerung von UNIFIL