Plenarrede zum Antrag der FDP "Bekämpfung von Piraterie" (zu Protokoll gegeben)
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die heutige Debatte hat einen traurigen aktuellen Anlass. Vor zwei Tagen haben somalische Piraten bei einem Überfall auf eine Jacht eine dreiköpfige deutsch-französische Familie und den Kapitän des Schiffes gekidnappt.
Die Gewässer vor Somalia gehören für die internationale Schifffahrt zu den gefährlichsten der Welt, weil Piraten dort immer wieder Schiffe und Boote überfallen. Insgesamt ist die Piraterie auf nahezu allen Weltmeeren auf dem Vormarsch. Die moderne Piraterie ist gewalttätiger, blutiger und brutaler geworden. Am gefährlichsten sind die Gewässer vor Indonesien und Sri Lanka. Als riskant gelten auch die Malakkastraße - vor allem bei Singapur und Kuala Lumpur -, das Rote Meer und neuerdings die Küste Somalias. Doch nicht nur der Indische Ozean ist Jagdgebiet von Seeräubern. Auch der Ostpazifik - hier vor allem die Philippinen und die chinesischen Küstengewässer - und der Südatlantik und die Küste vor Nigeria sind Piratengebiet. Allein 2007 sind 43 deutsche Schiffe von Piraten überfallen worden.
Es ist also in der Tat an der Zeit - und ich denke hierüber sind sich alle einig -, dass die internationale Gemeinschaft das Piratenunwesen auf den Weltmeeren wirksamer und effektiver bekämpfen muss!
Ich möchte hier aber auch betonen, dass meines Erachtens die völkerrechtlichen Voraussetzungen zur Bekämpfung der Piraterie bereits gegeben sind. Hierfür ist eine Änderung des Grundgesetzes nicht notwendig. Die Deutsche Marine hat bereits heute alle rechtlichen Befugnisse, die sie zur Bekämpfung von Piraterie braucht.
So ist Nothilfe natürlich auch auf Hoher See jederzeit möglich und bedarf keiner weiteren rechtlichen Klärung: Wenn deutsche oder Schiffe anderer Länder in unmittelbarer Not sind, kann die Bundeswehr ggf. eingreifen. Die Befugnis von Kriegsschiffen, Seeräuberschiffe aufzubringen, gehört zu den allgemeinen Regeln des Völkergewohnheitsrechtes.
Den völkerrechtlichen Rahmen hierfür bietet seit 1982 das 3. Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, welches der Deutsche Bundestag am 2. September 1994 ratifiziert hat und in dem sich auch Deutschland in Artikel 100 ausdrücklich zur Bekämpfung der Piraterie verpflichtet.
Des Weiteren hat der UN-Sicherheitsrat angesichts der Situation vor der Küste Somalias am 2. Juni 2008 per UN-Resolution 1816 die vor Ort operierenden Seestreitkräfte ermächtigt, auch innerhalb der somalischen Hoheitsgewässer (12-Meilen-Zone) gemäß Seerechtsübereinkommen gegen Piraten vorzugehen. D.h., die somalische Regierung hat ausdrücklich die Vereinten Nationen um Hilfe gebeten. Nach Artikel 24 des Grundgesetzes wäre das eine Maßnahme der kollektiven Sicherheit und durch eine UN-Resolution abgedeckt.
Bei der Frage, ob eine Erweiterung des OEF-Mandates ein geeigneter Weg zur Bekämpfung der Piraterie ist, habe ich jedoch meine Zweifel. OEF verfolgt andere Ziele, eine Erweiterung des Mandats wäre deshalb meines Erachtens der falsche Weg.
Es ist in diesem Zusammenhang auch durchaus lohnenswert über den französisch-spanischen Vorschlag nachzudenken. Spanien und Frankreich haben eine eigenständige ESVP-Mission zur Bekämpfung der Piraterie in die Diskussion eingebracht. Dies wird u.a. auch Thema beim Allgemeinen Rat Ende Juni in Brüssel sein. Eine solche ESVP-Mission scheint mir ein gangbarer Weg zur Bekämpfung der Piraterie zu sein und würde natürlich ebenfalls eine Mandatierung durch den Deutschen Bundestag erfordern.
Die Ansicht des Verteidigungsministeriums, dass die deutsche Verfassung es der Marine bisher verbiete einzugreifen und dies Aufgabe der Bundespolizei sei, kann ich nicht teilen. Die Gegebenheiten vor der deutschen Küste und die Kompetenzstreitigkeiten, die sich aus dem deutschen Föderalismus ergeben, können und sollten auch nicht auf die Hohe See übertragen werden. Die Forderung Artikel 87 zu ergänzen, damit die Bundeswehr ausdrücklich bisherige Polizeibefugnisse übernehmen dürfte, macht im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Piraterie jedenfalls wenig Sinn. Hier stellt sich die Frage, ob dies nicht vielmehr ein weiterer Versuch von Teilen der Union ist, die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit zu verwischen.