Plenarrede zum Jahresabrüstungsbericht 2006

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Abrüstung und Rüstungskontrolle sind lediglich Instrumente. Wenn sie aber angewandt werden, können sie die Zusammenarbeit und das friedliche Zusammenleben stärken. Deswegen ist der politische Wille die Voraussetzung für Abrüstung und Rüstungskontrolle. Leider hat es in den vergangenen Jahren an diesem politischen Willen gemangelt.

Ich bin daher der Bundesregierung dankbar, dass sie mit all ihren Kräften versucht, dafür einzutreten, dass Abrüstung und Rüstungskontrolle vorangebracht werden. Politische Initiativen sind notwendig. Diese haben wir unternommen.

(Beifall bei der SPD)

Auf der anderen Seite müssen wir natürlich feststellen, dass wir in einer Krise sind; das ist gar keine Frage. Denn an diesem politischen Willen hat es immer wieder gemangelt. Wir sind konfrontiert mit dem Aussetzen, mit der Missachtung und auch mit der Kündigung von Verträgen. Wir haben bei verschiedenen Gelegenheiten schon darüber diskutiert. Gleichzeitig sind wir mit einer großen Aufrüstung konfrontiert. Allein im vergangenen Jahr betrugen die entsprechenden Ausgaben 900 Milliarden Euro. Daran hatten die USA einen Anteil von 42 Prozent. Dennoch ist es gut, darauf hinzuweisen, dass - wie ich gerade erwähnt habe - schon Initiativen unternommen worden sind. Ich möchte an erster Stelle daran erinnern, dass der Bundesaußenminister seit mehreren Monaten versucht, zum Beispiel zum internationalen Brennstoffkreislauf Vorschläge vorzulegen und sie mit den Partnern abzustimmen. Das hat viel mit dem Iran, aber auch mit der Diskriminierung innerhalb der internationalen Gemeinschaft zu tun; Stichwort: Atomwaffensperrvertrag. Ich danke dem Außenminister für diese Initiativen.

(Beifall bei der SPD)

Der eine oder andere in diesem Saal würde das vielleicht als Alleingang bezeichnen. Ich aber bin froh, dass dort ein Außenminister arbeitet, der mit Mut, Kreativität und Beharrlichkeit über den Tellerrand hinausschaut und die Dinge voranbringt. Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, wir sollten uns auch vergegenwärtigen, dass wir versuchen, Initiativen wie die globale Partnerschaft mit Russland voranzubringen. Im Abkommen von Dayton zum Beispiel haben wir die Abrüstung und die
Rüstungskontrolle verankert. Das war wichtig, damit das Instrument der Abrüstung und Rüstungskontrolle genutzt werden kann. Ich will an eine andere Erfahrung anknüpfen. Vergegenwärtigen wir uns einmal, wie Libyen und Nordkorea auf den Weg der Abrüstung gebracht worden sind: durch Dialog, durch Verhandlungen und durch Gespräche. Eine Voraussetzung war unabdingbar: Man musste die Regime, die politischen Akteure anerkennen. Ich glaube, das sind wichtige Hinweise, wenn man versucht, gegenüber dem Iran die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. Das Atomwaffenprogramm, das in der jetzigen Gestalt möglicherweise verdächtig ist, ist natürlich abzulehnen. Gleichzeitig ist aber auf Dialog, Kooperation und Angebote zu setzen. Nordkorea und Libyen haben den richtigen Weg gewiesen.

(Beifall bei der SPD)

Ich würde mich freuen, wenn die Bundesregierung und die hier vertretenen Parteien es mit den Vertreterinnen und Vertretern im amerikanischen Kongress schaffen würden bzw. wenn die Bundeskanzlerin es mit der neuen Präsidentin oder dem neuen Präsidenten schaffen würde, die Rüstungsbegrenzungskultur, die für die transatlantische Gemeinschaft immer gegolten hat, wiederzubeleben. Das gehört genauso dazu wie andere Initiativen. Deshalb bin ich dankbar, dass der deutsche Außenminister zusammen mit dem norwegischen Außenminister in der NATO versucht, die Abrüstungsinitiative voranzutreiben. Auch das ist ein gutes Signal, das von dieser Regierungsbank ausgeht.

(Beifall bei der SPD)

Wer sich für Abrüstung und Rüstungskontrolle einsetzt, darf dies nicht für die Innenpolitik missbrauchen. Der eine oder andere Antrag, der heute hier vorliegt, beschäftigt sich eigentlich nur unter dem Aspekt der Innenpolitik mit diesem Thema. Ich glaube, deswegen übersieht der eine oder andere, dass zum Beispiel in Ramstein keine Atomwaffen mehr lagern. Er übersieht, dass Sozialdemokraten wie Peter Struck dafür eingetreten sind, dass in der NATO über die besondere Situation in Deutschland diskutiert wird. Ich fordere die Bundesregierung auf, dafür genauso einzutreten. Ich denke, das ist der richtige Weg. Wir müssen aber auch sagen: Es geht nicht nur um die wenigen Atomwaffen, die in Deutschland lagern, sondern um die taktischen Kernwaffen insgesamt. Sie müssen einer Nulllösung zugeführt werden, genauso wie damals die Mittelstreckenraketen. Das wäre die richtige politische Antwort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Gleichzeitig möchte ich darauf hinweisen, dass wir hin und wieder widersprüchliche Hinweise geben. Die EU-Strategie gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen ist wichtig gewesen. Sie hat natürlich etwas mit der Invasion im Irak zu tun, mit der Diskussion, die die USA damals provoziert haben. Die Verbreitung von Kernwaffen ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite der Medaille ist, dass die Kernwaffenmächte weiter qualitativ aufrüsten und sich gleichzeitig nicht an vorhandene Verträge halten. Auch das muss man ansprechen.

(Dr. Werner Hoyer [FDP]: So ist es!)

Ich glaube, wir müssen die Kernwaffenstaaten von hier aus auffordern, zu verhandeln, ihre Rüstungen zu begrenzen und abzurüsten. Das wäre die richtige Antwort.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich möchte versuchen, an dieser Stelle auf einen zweiten Widerspruch in Europa aufmerksam zu machen. Ich sehe mit Verwunderung, dass der französische Präsident bei seinen Besuchen im Nahen Osten immer wieder händeringend versucht, Atomkraftwerke anzubieten. Das ist sein gutes Recht; das spreche ich ihm nicht ab. Ich wäre aber dankbar, wenn er bei diesen doch etwas aufdringlichen Verkaufstouren versuchen würde, auf das Proliferationsrisiko hinzuweisen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen wäre es gut, wenn die Bundeskanzlerin, wenn sie diese Risiken auch sieht, mit dem französischen Präsidenten darüber spräche. Eine gemeinsame europäische
Initiative an dieser Stelle wäre notwendig. Zum Schluss möchte ich auf die Frage der Raketenabwehr aufmerksam machen. Gott sei Dank hat die neue Regierung in Polen Gelassenheit gegenüber diesem Thema an den Tag gelegt und versucht, alle Beteiligten in diesen Prozess einzubinden. Ich glaube, die Bundesregierung tut gut daran, die polnische Regierung dabei zu unterstützen. Denn wir brauchen Vertrauensbildung. Dafür sind Abrüstung und Rüstungskontrolle notwendig. Dafür ist auch der Dialog mit allen Partnern in diesem Verhältnis wichtig. Ich denke, da sind wir auf einem guten Weg.

Vielen Dank.
 

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Veröffentlicht: 
Berlin, 18.01.2008
Thema: 
Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung