Plenarrede zum Antrag der Linken "Eskalation im Atomkonflikt mit dem Iran verhindern" und Bündnis 90/Die Grünen "Keine militärische Eskalation gegen den Iran"
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es besteht kein Zweifel, die iranische Atomkrise befördert Spannungen in der Region und weltweit. Es gibt einige, die ein militärisches Vorgehen fordern; es gibt weitere, die in den Kategorien des Krieges denken - außerhalb, aber auch innerhalb der Region. Wir sagen, beides ist riskant. Europa führte einen Weltkrieg, an dessen Beginn ebenfalls zunächst nur Säbelrasseln stand. Letztlich genügte ein Funke zum Flächenbrand. Deswegen lehnen wir Sozialdemokraten militärische Maßnahmen ab. Wir denken bei unseren Überlegungen zur Lösung der iranischen Atomkrise nicht in militärischen Kategorien. Einen weiteren Krieg könnten diese Region und insbesondere die Nachbarn des Iran nicht verkraften.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)
Deshalb warne ich davor, dass wir uns in eine Scheindebatte hineinbegeben. Wir sollten die Menschen nicht verunsichern, schon gar nicht aus kleinlichen parteitaktischen Erwägungen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Herr Gysi, ich fand es bezeichnend, dass Sie den diskriminierenden Atomwaffensperrvertrag - dass er diskriminierend ist, wussten die Vertragsstaaten, die ihn damals unterzeichneten - im Grunde genommen als Begründung für den iranischen Weg in den letzten Monaten heranzogen. Das war falsch. Diesen Vertrag kann man nicht als Messlatte verwenden. Fest steht vielmehr, die Iraner haben den Atomwaffensperrvertrag seit 18 Jahren verletzt. Sie haben ein geheimes Atomwaffenprogramm betrieben, sie betreiben eine Aufrüstung im Bereich von Trägersystemen. Bis heute ist es der Internationalen Atomenergiebehörde nicht gelungen, dem Iran gemäß dem Vertrag zu attestieren, dass er keine militärischen Maßnahmen plant; vielmehr wird ihm unterstellt, er versuche, sich militärische Optionen zu verschaffen. Das hätten Sie in diesem Zusammenhang sagen sollen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zu Israel, Pakistan oder Indien beispielsweise gibt es einen deutlichen Unterschied. Diese sind eben nicht Unterzeichner des Vertrages. Daraus hätten Sie den Schluss ziehen sollen, dass die Versuche des Außenministers in den letzten Wochen und Monaten, wieder Schwung in die Abrüstungsdebatte zu bringen, unterstützenswert sind. Nichts anderes hat er in dem Interview im "Handelsblatt" zur Diskussion über die Raketenabwehr getan. Er hat darin seine Besorgnis über eine erneute Aufrüstung auch in Europa zum Ausdruck gebracht. Auch wenn es vom Thema nicht direkt hier hingehört, hätte man, wie ich finde, auch loben können, dass sich Deutschland der Initiative der 28 Staaten zur Ächtung von Streumunition angeschlossen hat. Ein solcher Einsatz gehört nämlich letztlich zu einer klugen Abrüstungspolitik dazu.
(Beifall bei der SPD)
Deswegen bitte ich darum, keine Scheindebatte zu führen. Da, wie ich glaube, diplomatische Schritte weiterhin möglich und notwendig sind, sollten wir nicht über Krieg, sondern über Diplomatie reden.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Diplomatie hat an dieser Stelle eine Chance. Ich glaube nämlich, dass es falsch ist, schon heute zu sagen, der europäische Ansatz ist gescheitert. Im Gegenteil: Mit dem europäischen Engagement konnte der Iran in den letzten Jahren massiv unter Druck gesetzt werden. Hierdurch wurde der Internationalen Atomenergiebehörde erst die Möglichkeit eröffnet, Inspektionen im Iran durchzuführen. Das war wichtig und ist Teil des europäischen Ansatzes gewesen. Zugleich hat der europäische Ansatz dazu beigetragen, dass weitere Länder in dieser Frage an einem
Strang ziehen. Früher haben sich Russland und China nicht an dieser Diskussion beteiligt. Sogar die USA konnten vom europäischen Ansatz überzeugt werden. All das hat Diplomatie geleistet. Darüber sollten wir hier im Parlament diskutieren.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Weiterhin glaube ich, dass die Bundesregierung richtig gehandelt hat, und zwar nicht nur diese, sondern schon die rot-grüne. Letztere hat ja ideenreich versucht, die EU-3 mit dem Iran ins Gespräch zu bringen. Zugleich wurde immer darauf geachtet, dass der Sicherheitsrat nicht übergangen wird. Auch das war Bestandteil der Diplomatie. Es war ja gerade das Manko beim Irakkrieg, dass sich damals insbesondere die Ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats nicht immer auf eine gemeinsame Resolution verständigen konnten, wie es derzeit der Fall ist. All das hat doch Diplomatie geleistet. Die Internationale Atomenergiebehörde ist dabei auf solche Einigkeit angewiesen, weil sie keinen eigenen Sanktionsmechanismus hat, um gegen Vertragsverletzungen vorzugehen. Darum ist es so wichtig gewesen, dass der Sicherheitsrat sich damit befasst hat und am Montag zusammengekommen ist, Herr Paech. Darüber haben wir im Ausschuss diskutiert. Es ist doch gut, wenn wir China und Russland mit im Boot haben. Darüber muss man sich doch nicht ärgern, sondern das ist Voraussetzung für eine zivile Bearbeitung dieses Konfliktes.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wir unterstützen zum Beispiel auch das, was Herr al-Baradei auf internationalem Parkett im Namen der Internationalen Atomenergiebehörde gegenüber dem Iran zu thematisieren versucht. Ich glaube, es ist sehr gut, sozusagen, wie er es in die Debatte eingebracht hat, ein doppeltes Aussetzen anzubieten: Wenn Iran zu einer Suspendierung der Urananreicherung bereit ist, sollen auch die Sanktionen der Vereinten Nationen ausgesetzt werden. Ich glaube, das ist genau der richtige Weg. Daran zeigt sich, dass Diplomatie an dieser Stelle eine Chance hat.
(Beifall bei der SPD)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Bitte schön.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Bitte schön, Frau Knoche.
Monika Knoche (DIE LINKE):
Ich finde den Verlauf der Diskussion hier im Parlament sehr gut, weil dadurch deutlich wird, wie intensiv das Bemühen auch in der deutschen Politik ist, den Weg der Diplomatie zu gehen. Hier sollte nicht das Missverständnis aufkommen, dass die Fraktion Die Linke diese Bemühungen nicht unterstützt.
Ich möchte nur auf eine große Sorge hinweisen, die wir haben, und Sie fragen, wie Ihre Einschätzung dazu ist. Wir alle haben auch parlamentarische Kontakte zu den USA, und wir wissen, wie wenig gewiss es ist, wie sich die Bush-Administration verhalten wird. Man geht davon aus, dass es durchaus möglich ist, dass Bush sich am Ende seiner Ära mit einem Big Bang verabschieden wird,
(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Jetzt muss mal eine Frage kommen!)
dass er eine Militäreskalation gegen den Iran vorhat. Wie sehen Sie die Rolle, die Deutschland einnehmen muss, um solche grässlichen Optionen der US-amerikanischen Administration zurückzudrängen und ihnen deutlich entgegenzutreten? Wenn hier eine klare Stimme in dem Sinne erhoben würde, dass man dieser Art von US-amerikanischer Politik auf jeden Fall entschiedenen Widerstand entgegensetzt sowie der Entwicklung und den Sicherheitsinteressen des Iran Rechnung trägt, dann wäre, glaube ich, auch für diese Debatte sehr viel gewonnen.
(Beifall bei der LINKEN)
Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Wenn Sie die Diplomatie, die ich gerade zu schildern versucht habe, unterstützt hätten, hätten Sie einen anderen Antrag geschrieben.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich bin ja froh, wenn Sie der Meinung sind, dass das, was wir hier ausführen, letztlich im Sinne der Diplomatie ist. Ich glaube, dass das richtig ist. Sie sprachen von Kontakten zu den USA. Ich habe mehr Kontakte ins iranische Parlament. Dort weiß man natürlich, dass die US-amerikanische Außenpolitik in den letzten Jahren - das haben auch wir gelernt - durchaus andere Interessen hat. Manchmal erscheint die Debatte im iranischen Parlament ganz anders, als Sie sie hier wahrgenommen haben.
Sie müssen aber auch wahrnehmen, dass sich gerade die US-amerikanische Politik gegenüber dem Iran verändert hat. Seit Beginn der Verhandlungen 2003 haben die USA dem Iran das Recht zur friedlichen Nutzung der Kernenergie komplett abgesprochen. Das hat sich gewandelt. Die USA haben - darauf ist hingewiesen worden - sehr stark, wie ich glaube, aus den Erfahrungen mit Libyen und Nordkorea gelernt, wie man Länder, die eine Kernwaffenoption durchzusetzen versuchen, möglicherweise wieder einfängt. Das hat man bei Libyen erfolgreich geschafft, und ich hoffe, dass das auch bei Nordkorea der Fall sein wird.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Ankündigung vonseiten der USA, mit Iran und Syrien an einer Irakkonferenz teilzunehmen, letztlich auch aufgrund dieses Lernprozesses stattgefunden hat. Das spricht auch für die Diplomatie, und das sollten Sie mit unterstützen.
Der andere Punkt, den man wahrnehmen muss - vielleicht haben Sie da noch viel bessere Informationen, wenn Sie so oft mit Kolleginnen und Kollegen in den USA sprechen -, ist, dass Außenministerin Rice in der letzten Zeit eine Menge versucht hat, um das Ganze auf diplomatischem Wege voranzubringen. Aber auch der neue amerikanische Verteidigungsminister Gates war, damals mit einem Papier des Council on Foreign Relations, dafür, mit dem Iran in direkte Verhandlungen zu treten. Auch das muss man wahrnehmen. Wenn Sie an dieser
Stelle für Diplomatie gewesen wären, hätten Sie das in Ihren Antrag aufnehmen können.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Da Sie, wie Sie sagen, Ihre Kontakte in die USA pflegen, möchte ich Sie gern bitten, den USA möglicherweise ein anderes Bild vom Iran zu vermitteln. Ich glaube, das Bild, das Präsident Bush in den letzten Monaten immer wieder vom Iran gezeichnet hat, ist falsch, genauso falsch wie das, was er in seiner Rede an die Nation zum Iran gesagt hat.
Er hat zwar einen Unterschied zwischen dem Volk und dem Mullahregime skizziert. Das ist vollkommen richtig. Ich glaube, dass viele Menschen im Iran mit dieser Gesellschaft unzufrieden sind. Aber sie wollen Respekt gegenüber ihrer Nation und gegenüber ihren Erfolgen. Sie wollen auch deswegen mit Respekt behandelt werden, weil sie gegen den Willen eines großen Teils der Weltgemeinschaft einen achtjährigen Krieg gegen den Irak durchgestanden haben. Viele andere Punkte spielen an dieser Stelle eine Rolle.
Ich glaube daher, dass die Analogie, die der amerikanische Präsident an dieser Stelle macht, falsch ist. Das Volk ist nicht komplett gegen dieses Mullahregime. Aber es will sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt. Es will im Grunde genommen auch, dass die Frauen in dieser Gesellschaft viel freier sind, auch wenn man vielleicht dem einen oder anderen Iraner begegnet, der das anders sieht. Aber insgesamt ist diese Gesellschaft so fortschrittlich, wie wir es uns im Westen bei der Auseinandersetzung mit Gesellschaften in dieser Region wünschen.
Sie sollten den USA deutlich machen, dass wir es mit einer Gesellschaft zu tun haben, in der eben Diplomatie möglich ist, in der ein Parlament dem Präsidenten widerspricht und in der es iranische Studenten gibt,die gegen ihn protestieren. Das eröffnet Möglichkeiten, um innerhalb der USA für den Standpunkt zu werben, dass sich Diplomatie an dieser Stelle lohnt.
(Beifall bei der SPD)
Ich glaube, wir tun gut daran, nicht in militärischen Kategorien zu denken und zu reden, sondern die Facetten im Iran wahrzunehmen und danach zu handeln. Deshalb unterstützen wir Sozialdemokraten die Bundesregierung bei ihren vielfältigen Bemühungen, die iranische Atomkrise friedlich zu lösen. Ich glaube, wir tun ebenfalls gut daran, uns noch öfters im Ausschuss über diese Möglichkeiten zu unterhalten.
Vielen Dank.