Soll die Ukraine Mitglied der NATO werden?

Contra-Position

Eines vorweg: Es ist und bleibt selbstverständlich das Recht eines jeden Staates in Europa, sich für einen Nato-Beitritt zu bewerben; hierüber gibt es kein "Vetorecht". Dennoch: Bei allen Erweiterungsrunden der NATO waren die Einhaltung der demokratischen Mindeststandards und die Achtung der Menschenrechte grundlegende Voraussetzungen. Mit Blick auf das berechtigte Anliegen der bisherigen NATO-Mitglieder, dass die Aufnahme eines neuen Mitglieds mit einem Sicherheitsgewinn für die NATO insgesamt verbunden sein muss, galt die ungeschriebene Regel, dass kein Staat beitreten kann, der ungelöste territoriale Konflikte mit einem Nachbarstaat hat. Die Ukraine hat bei den ersten Kriterien Fortschritte erzielt, weist aber noch signifikante Defizite auf. Eine Regelung des von Russland verursachten Territorialkonflikts mit der Krim und der Ostukraine ist nicht in Sicht. Da alle 28 NATO-Mitglieder einer Erweiterung zustimmen müssen, ist die Unterstützung des ukrainischen Wunsches insbesondere durch Polen und die Balten nicht hinreichend. Der Realitätscheck verdeutlicht: Eine ukrainische NATO-Mitgliedschaft steht nicht auf der Tagesordnung.

Gleichwohl gibt es auf Grundlage der NATO-Ukraine-Charta bereits seit Juli 1997 eine fest institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen der NATO und der Ukraine in der NATO-Ukraine-Kommission, die transparent erfolgt. Wer einen schnellen NATO-Beitritt der Ukraine fordert, tut damit weder der Ukraine noch dem Bündnis einen Gefallen. Es bringt wenig, wenn die NATO Sicherheitsgarantien abgibt, die sie weder einhalten kann noch will. Mit einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine (wie auch Georgiens) würde das Bündnis sich überfordern, zu einer weiteren Eskalation beitragen und womöglich die Gefahr eines Krieges verstärken, der dann nicht mehr nur ein "Kalter" wäre. Deswegen müssen wir uns auf eine politische Konfliktregelung konzentrieren und keine Scheindebatte führen. Es gilt zu verhindern, dass die ukrainische Regierung einen offenen Krieg mit Russland riskiert, den sie nicht gewinnen kann.

Verhindert werden muss auch, dass Russland sich durch eine fortgesetzte Konflikteskalation in eine ausweglose Position hineinmanövriert. Hieran arbeitet die Bundesregierung seit langem, vorneweg mit dem unermüdlichen Einsatz unseres Außenministers und der Bundeskanzlerin. Letztendlich handelt es sich um eine Abwägungsfrage: Würde ein NATO-Beitritt der Ukraine Europa und die Ukraine selbst sicherer machen? Meine Antwort lautet: Nein!

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Thema: 
Meinung
Veröffentlicht: 
Vorwärts 02-03/2015, 31.01.2015, Seite 26.