Ukraine: Von der militärischen Konfrontation zum Weg des Friedens

Mit dem für kommenden Sonntag angekündigten "Referendum" in der Ostukraine steht das Land, aber auch Europa insgesamt, ab Montag vor einer neuen Situation: Es geht dabei um Krieg und Frieden in der Ukraine, aber auch immer noch um die Einheit des Landes oder eine Abspaltung. Russland ist nunmehr in der Pflicht.

Die Botschaft von Putin auf der gestrigen Pressekonferenz an die Separatisten in der Ostukraine, auf das Referendum zu verzichten, ist das insbesondere auch von unserem Außenminister geforderte öffentliche Entmutigungssignal an die separatistischen Kräfte und ein vorsichtiges Anzeichen für ein Umdenken der russischen Regierung.

Wir erwarten ganz konkret von Präsident Putin die Aussage, ob nach der Befragung im Donbass Moskau einen Verfassungsprozess hin zu einer föderalen Ukraine unterstützt oder den Osten des Landes in das russische Staatsgebiet über kurz oder lang eingliedern will. Der erste ist der richtige Weg, der zweite für uns inakzeptabel. Wir setzen weiterhin auf friedliche Zusammenarbeit statt auf militärische Konfrontation. Wir wissen uns mit der Bundesregierung und allen Staaten der Europäischen Union einig.

Wichtig ist nun die rasche Umsetzung des vom OSZE-Präsidenten vorgelegten 4-Punkte-Plan, der eine Waffenruhe als ersten Schritt fordert, dann weitere Deeskalationsschritte verlangt sowie die Aufnahme von direkten Gesprächen zwischen den Konfliktparteien in der Ukraine und schließlich Wahlen. Auch die von Frank-Walter Steinmeier geforderte zweite Verhandlungsrunde "Genf II" ist dringend erforderlich.

Der Aufnahme eines nationalen Dialoges unter Einbindung von Repräsentanten der Ost-Ukraine kommt große Bedeutung zu. Je schneller die gewalttätigen Auseinandersetzungen gestoppt werden können, umso größer sind die Chancen für diese Gespräche. Es kommt jetzt maßgeblich darauf an, dass neben einer militärischen Deeskalation insbesondere auf hetzerische Propaganda in den Medien verzichtet wird und eine verbale Abrüstung auf allen Seiten erfolgt. Das Denken in Feindbildern löst keinen Konflikt, sondern reißt tiefe Gräben in die Gesellschaft. Zur Diplomatie gibt es keine Alternative. Weder Russland noch die EU und die USA können Interesse an einer Ukraine haben, die unregierbar wird oder gar in einen blutigen Bürgerkrieg versinkt.

Die Präsidentschaftswahl am 25. Mai in der Ukraine muss überall im Land gesichert, ein verfassungsgebender Prozess als öffentlicher Dialog organisiert werden. Die Erfahrungen in der Europäischen Union können dazu auf Wunsch gerne genutzt werden. Partnerschaftsprojekte auf kommunaler Ebene werden zu zusätzlichen Aktivitäten (Austausch, Besuche, Einladungen) motiviert und unterstützt.

Grundlegende Voraussetzung für eine Überwindung der aktuellen Krise ist, dass wieder Verlässlichkeit und Vertrauen auf allen Seiten aufgebaut werden. Wenn der russische Präsident verspricht, die Truppen in die Kasernen zurückzuziehen, dann muss man sich darauf auch verlassen können. In diesem Zusammenhang kommt das für die Sicherheitspolitik unabdingbare Instrument der Rüstungskontrolle zum Tragen. Es gibt für den gesamteuropäischen Raum entsprechende Abkommen, die noch stärker als bisher genutzt werden können, um Klarheit über die tatsächliche Lage in den betreffenden Regionen zu schaffen. Nur wenn die Lage für alle transparent und auf einer gemeinsamen Faktenlage nachvollziehbar ist, kann wieder Vertrauen entstehen. Ohne Vertrauen kann weder nationale noch internationale Politik funktionieren.

1. Die Völker Europas haben in den Zeiten des Kalten Krieges einen hohen Preis für die Folgen der Blockkonfrontation bezahlt. Daraus müssen wir unsere Lehren ziehen. Daher ist es gerade in dieser Krisenlage kontraproduktiv, wenn die NATO Gedankenspiele über Aufrüstung und Vorwärtsstationierung im Osten Europas anstellt. Eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine ist für uns keine Perspektive.
 
2. Die Idee einer gesamteuropäischen Freihandelszone muss wieder aufgegriffen und mit einem konkreten Maßnahmenplan unterlegt werden. Zugleich darf die Ukraine nicht vor die Alternative verstärkte Zusammenarbeit mit der EU oder verstärkte Bindungen an Russland gestellt werden.
 
3. Es war Frank-Walter Steinmeier, der von Beginn der Ukrainekrise an auf die zuständige OSZE und das wichtige Instrument der Rüstungskontrolle verwiesen hat. In unermüdlicher Pendeldiplomatie hat er erfolgreich dafür geworben, dass diese Instrumente genutzt werden. All denjenigen, die die Krim-Krise als Beweis dafür sehen, dass das Konzept der sozialdemokratischen Entspannungspolitik nun endgültig gescheitert sei, kann man nur erwidern: Durch die russische Aggression ist nicht die Entspannungspolitik desavouiert, sondern sie beweist im Gegenteil deren unveränderte Notwendigkeit. Gerade in Zeiten neuer Spannungen brauchen wir eine neue Entspannungspolitik.
 
4. Die Diplomatie in Deutschland und Europa steht vor einer enormen Herausforderung: Es geht darum, die mühsam erarbeitete Friedensordnung nicht weiter zu gefährden, sondern zu sichern. Frieden gibt es nicht umsonst. Man muss für ihn kämpfen ? mit zivilen Mitteln. Wir setzen deshalb weiterhin auf friedliche Zusammenarbeit statt auf militärische Konfrontation und wissen uns darin mit allen Staaten der Europäischen Union einig. Und wir sollten über der Ukraine nicht vergessen, dass wir bei der iranischen Atomkrise und dem syrischen Bürgerkrieg weiterhin mit Russland zusammenarbeiten müssen.

Mit seinem Vorgehen schadet Russland nicht nur der europäischen Friedensordnung, sondern am meisten sich selbst.

Autor: 
Von Rolf Mützenich und Axel Schäfer
Thema: 
Vor dem Referendum in der Ostukraine
Veröffentlicht: 
Euractiv.de, 09.05.2014