Nach dem Euro-Hawk ist vor der Drohnendebatte

Der Untersuchungsausschuss zu den Versäumnissen und Widersprüchen bei der Beschaffung des Euro-Hawks ist vorerst abgeschlossen. Kurz vor der Bundestagswahl werden die Schlussplädoyers vorgetragen und das Vorhaben endgültig zu den Akten gelegt. Zurück bleiben ein weiterer beschädigter Minister aus dem Kabinett Merkel, ein undurchschaubares Gestrüpp von Interessen und Abhängigkeiten zwischen der Rüstungsindustrie und dem Verteidigungsministerium, eine ohnmächtige Opposition, eine irritierte Öffentlichkeit und offensichtlich Fehlinvestitionen in Millionenhöhe. Damit darf die Diskussion über bewaffnete Drohnen, nicht enden. Vor dem Hintergrund einer sensibilisierten Bevölkerung muss das Für und Wider endlich breiter und grundsätzlicher debattiert werden. Immerhin hatte Thomas de Maiziere, nach entsprechender Kritik aus den Reihen des Parlaments, die Notwendigkeit einer solchen Diskussion anerkannt, während die politisch ebenso geforderte Bundeskanzlerin und ein ohnehin überforderter Außenminister lieber in Deckung bleiben.

Trotz verschiedener parlamentarischer Initiativen zum Thema Kampfdrohnen blieben die entsprechenden Debatten im Bundestag auf das Thema EuroHawk fokussiert. Die Chancen für eine grundsätzliche Aussprache und inhaltliche Auseinandersetzung zum Thema wurden nicht genutzt.. Der denkbare Rücktritt eines angeschlagenen Ministers war taktisch bedeutsamer als eine umfassende Debatte. Unabhängig von einer neuen Regierung muss sie jetzt geführt werden. Richtig ist, dass die im Auftrag der Vereinten Nationen im Ausland tätigen deutschen Streitkräfte einen optimalen Schutz vor Angriffen erwarten müssen. Bewaffnete Drohnen können einen solchen Schutz schaffen, wobei technisch weniger anspruchsvolle Geräte, etwa ausreichend gepanzerte Fahrzeuge, Schutzwesten und elektronische Störinstrumente ebenso erforderlich und Mittel der ersten Wahl bleiben. Wäre die Schutzkomponente das einzige Argument, bedürfte es keiner Debatte über waffenfähige Drohnen. Doch es gibt andere ernsthafte und weitergehende Fragen. Bewaffnete Drohnen verwischen offenkundig die klare Trennung zwischen Krieg und Frieden. Die Einsätze der US-Streitkräfte und vor allem der Geheimdienste in Pakistan, Somalia und Jemen stehen für die Tendenz unerklärter militärischer Eingriffe.

Der in der Charta der Vereinten Nationen verankerte Gewaltverzicht zwischen Staaten erodiert angesichts eines militärischen Mittels, das annähernd lautlos, weitgehend unbegrenzt, ohne Risiko für das Militärpersonal und unmittelbar einsatzbereit ist. Anhand der Einsatzoptionen bewaffneter Drohnen entsteht das Bild eines zukünftigen Kampfplatzes robotisierter Waffensysteme, die in der Tendenz selbstständig und zum Schluss unbeeinflusst von menschlicher Kontrolle handeln sollen. Obwohl Demokratien zumindest untereinander weniger gewaltgeneigt sind, als andere politische Ordnungen, sind freiheitliche und der Gewaltenkontrolle unterliegende Systeme anfällig für die Beschaffung von Waffensystemen, die eine Gefährdung der eigenen Streitkräfte vermindern. Nichts irritiert eine demokratische Gesellschaft mehr, als die Rückkehr toter oder an Leib und Seele verletzter eigner Soldaten. Daher sind automatisierte, unbemannte Waffen in Zukunft die erste Wahl. Die Folgen einer derartigen Entwicklung sind im Einzelnen nicht vorhersehbar. Das sie allerdings zur Zurückhaltung bei bewaffneten Einsätzen beiträgt, ist unwahrscheinlich. Hinzu kommt, dass  die behaupteten Vorzüge der Drohnentechnik bis heute weitgehend zweifelhaft sind. Im Gegenteil: die technische Anfälligkeit, der vergleichsweise hohe Materialverlust und vor allem die große Zahl ziviler Opfer sprechen eine andere Sprache.

Daher wäre der deutsche Beitrag zu einer ernsthaften Debatte über die Zukunft bewaffneter Drohnen weniger in der Verfeinerung der Drohnentechnik zu suchen, als vielmehr auf den bewährten Feldern der Rüstungskontrolle und des Völkerrechts. Ein sich dafür verantwortlich fühlender Außenminister müsste anregen, die offensichtlichen Schwachstellen im humanitären Kriegsvölkerrecht zu präzisieren und zu schließen. Er würde ausloten, ob eine Staatenkoalition den Weg von Rüstungsverträgen mitgehen würde, die den Einsatz bewaffneter Drohnen ausschließen oder zumindest enger regeln würde, als heute. Unabweisbar sind Anstrengungen, die ein Verbot autonom einsatzfähiger bewaffneter Drohnen verankern. Das von Menschenhand frei operierende Gewaltgerät darf niemals Realität werden. Sollte dieser  Ansatz für Völkerrecht und Rüstungskontrolle gelingen, könnte Deutschland damit an eine Tradition anknüpfen, die internationalen Regeln wieder den Vorrang vor militärischen Optionen gibt. Das könnte dem Ansehen unseres Landes nur gut tun.
 

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Thema: 
Lehren aus der Drohnendebatte
Veröffentlicht: 
Berlin, 15.08.2013