Politische Ausrichtungen russischer Neueinwanderer in Israel
I. Die Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion in Israel
Seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes und dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1989/1991 wanderten fast eine Million Menschen (1989-2007: 985.400 ) aus den ehemaligen Sowjetrepubliken nach Israel ein. Sie folgten einer früheren kleineren Gruppe (ca. 156.000 Personen) von Einwandern aus der Sowjetunion, die zwischen 1968 und 1980 nach Israel kam. Motivation wie auch Zusammensetzung dieser beiden Einwanderungswellen unterscheiden sich in mancherlei Hinsicht voneinander:
Die erste Welle der 1970er Jahre setzte sich hautsächlich aus Dissidenten zusammen, die sich als Demokraten oder Zionisten der Unterdrückung ihrer jüdischen Identität durch das repressive Sowjetregime widersetzten, sogenannte "Refuseniks". Viele von ihnen verbrachten mehrere Jahre im Gefängnis ("Prisoners of Zion") und konnten nur aufgrund westlichen Drucks die Sowjetunion verlassen. Ihre Einwanderung nach Israel folgte einer gezielten und bewussten Entscheidung, was ihre schnelle Eingliederung erleichterte. Ihre Mehrzahl stammte nicht aus den russischen Kerngebieten der Sowjetunion, sondern aus dem Baltikum, dem Kaukasus und Zentralasien. Durch ihre schnelle Integration in die israelische Gesellschaft waren sie als bereits "Alteingesessene" in der Lage, den Neuankommenden in den 1990er Jahren unterstützend behilflich zu sein.
Die zweite Welle nach 1989 wurde durch eine Mischung aus "Push-" und "Pull-Faktoren" nach Israel gebracht. In der Regel lagen dieser Auswanderung keine zionistischen Motive zu Grunde, vielmehr flohen die Menschen vor unklaren politischen Verhältnissen, ökonomischer Notlage und Antisemitismus ("Push-Faktoren") und wählten Israel nicht selten aus einem Mangel an Alternativen. Zugute kam ihnen, dass Israel ihre Einwanderung aus zionistisch-ideologischen Gründen massiv förderte ("Pull-Faktoren"). Anders als die Immigranten der 1970er Jahre hatten sie wenig Bezug zum Judentum. Entsprechend weist diese Gruppe einen hohen Anteil an nach halachischem Gesetz nicht-jüdischen Personen auf. Dieser ist dabei über die Jahre kontinuierlich angestiegen von 6% 1989 über 39% 1998 bis 56,4% im Jahre 2001. Ein nicht unerheblicher Anteil der Immigranten konnte das Rückkehrgesetz offensichtlich nur durch Dokumentenfälschung für sich nutzen. Das staatliche Interesse an beständiger Immigration nach Israel schien diesen Vorgang zumindest teilweise zu tolerieren. Widerstand dagegen formierte sich hauptsächlich auf religiös-orthodoxer Seite, wo eine Unterminierung des jüdischen Charakters Israels befürchtet wurde. Es wird geschätzt, dass der nicht-jüdische Anteil der Russen insgesamt 20-30% ausmacht.
An dieser Stelle soll erwähnt werden, dass für viele Russen die Einwanderung nach Israel nicht einem persönlichen Aufstieg gleichkam, wie dies von der zionistischen Terminologie suggeriert wird. Vielmehr betrachteten sie ihre eigene Kultur der israelischen gegenüber als überlegen und höherwertig. Demnach würde die israelische Gesellschaft eher von ihnen profitieren als umgekehrt.
Anders als in den 1970er Jahren stammte diesmal der größte Teil (etwa 70%) aus dem russischen Herzland (Russland, Ukraine und Weißrussland), vor allem aus den Städten der europäischen Gebiete der Sowjetunion, aber auch aus Zentralasien. Entsprechend kann man die Einwanderer in drei ethnische Gruppen unterteilen: Die Ashkenasim aus den europäischen Sowjetrepubliken, die "Bergjuden" aus dem Kaukasus und die bucharischen Juden aus Zentralasien, die zur Gruppe der Misrachim gehören. Vor allem den kaukasischen Juden wird abweichend vom Rest dieser Gruppe eine eher traditionell-religiöse Lebensweise bescheinigt. Ein weiteres Charakteristikum ist der hohe Ausbildungsgrad: Etwa 60% verfügen über einen Hochschulabschluss, darunter viele Ingenieure, Ärzte und Lehrer. Religion hat für die übergroße Mehrheit eine untergeordnete oder gar keine Bedeutung: 85% bezeichnen sich als nicht-religiös oder atheistisch, 15% als traditionell und nur 0,5% als religiös. Gemäß der sowjetischen Politik betrachten sie ihr Jüdischsein in erster Linie als Nationalität. Erst durch diese Gruppe bildeten die Russen eine gewichtige Minderheit innerhalb der israelischen Gesellschaft.
Durch Anreize begünstigt, sollte die Wahl des Wohnortes durch die Russen demographische, ökonomische und ideologische Ansprüche erfüllen: Dazu gehörte die verstärkte Ansiedlung in Gebieten des israelischen Herzlandes, die einen hohen arabischen Bevölkerungsanteil aufweisen wie z.B. im Negev und in Galiläa. Aber auch die besetzten Gebiete sowie wenig entwickelte Regionen und Entwicklungsstädte zählten dazu. Aufgrund internationalen Drucks (siehe Kapitel 2) aber vor allem aus mangelndem Interesse ließen sich nur sehr wenige Russen (1,7%) in der West-Bank oder im Gaza-Streifen nieder. Die übergroße Mehrheit siedelte in den städtischen Ballungsräumen, jedoch nur zu einem geringen Teil in Jerusalem und Tel Aviv. In 25 anderen Städten stellen sie 20% oder mehr der Gesamtbevölkerung, in vielen Orten die Mehrheit. 84% gaben an, in Vierteln zu leben, in denen russische Einwanderer mindestens ein Drittel der Einwohnerschaft ausmachen.
Eine besondere Rolle spielen die russischsprachigen Medien, aus denen ein Großteil der Russen ihre Informationen beziehen. Dazu gehören ein eigener Radiosender, ein Fernsehsender sowie dutzende Printmedien. Dabei werden die Medien als tendenziell rechtslastig und wenig pluralistisch charakterisiert; zudem verfügen sie über ein niedriges intellektuelles Niveau. Gleichzeitig wird aber auch darauf hingewiesen, dass das Desinteresse der hebräischen Medien am russischen Diskurs mit zu dieser Entwicklung beigetragen hat.
Aufgrund der Beibehaltung der Sprache, dem Bilden von "co-ethnic networks", der Schaffung von Nischen z.B. durch russischsprachige Medien, der Herausbildung einer eigenen soziokulturellen Identität und dem Aufrechthalten von Verbindungen zur ehemaligen Heimat und zu russischsprachigen Gemeinden weltweit wird von einer ?transnational community? gesprochen.
Bis heute haben sich daraus zwei gegenläufige Trends innerhalb dieser Gruppe herausgebildet. Einerseits die Schaffung einer Minderheit innerhalb der jüdischen Mehrheitsgesellschaft durch Ethnifizierung und Abgrenzung vom israelischen Mainstream. Andererseits eine erfolgreiche Israelisierung und Integration in die Gesellschaft. Beide Trends korrespondieren dabei mit dem Alter beim Eintritt in die israelische Gesellschaft und der Länge des Aufenthalts im Land. Je jünger die Person ist und je länger sie in Israel lebt, desto eher bezeichnet sie sich selbst als israelisch. Umgekehrt ist die Identifizierung als russisch eher unter älteren Leuten und Neuankömmlingen zu finden.
Gleichermaßen verkörpern die Russen, allein durch ihre hohe Anzahl, ein weiteres spezifisches Milieu der israelischen Mosaikgesellschaft, üben durch "Russifizierungstrends" Einfluss auf die Gesellschaft aus und prägen sie dadurch in ihrem Sinne.
Insgesamt bilden sie die größte ethnische Gruppe innerhalb der israelischen Einwanderungsgesellschaft (20% der jüdischen und 14% der Gesamtbevölkerung ) und die größte Gemeinde russischsprachiger Juden weltweit. Obwohl die Einwanderer aus den verschiedenen ehemaligen Sowjetrepubliken stammten, ist die russische Sprache die gemeinsame Klammer, weshalb grob vereinfacht von den "russischen Juden", bzw. "russischen Israelis" im Folgenden von den "Russen" gesprochen wird, was durchaus auch der Selbstdefinition entspricht. Sie sind demnach auch ihrer Heterogenität wegen eher als Sprachgemeinde denn als ethnische Gruppe zu verstehen. Man spricht auch von der Gruppe der "Neuen Israelis" oder vom "Dritten Israel".
II. Arabische Reaktionen auf die russische Masseneinwanderung
Die Masseneinwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion löste heftige Reaktionen in der arabischen Welt aus. Man befürchtete, dass die große Masse an Neueinwanderern als Argument für die Beibehaltung der Besatzung und damit auch zum weiteren Ausbau illegaler Siedlungen herangezogen werden würde. Man sprach von einer möglichen "Bedrohung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit". Die Ängste vor einer möglichen Ansiedlung russischer Immigranten in der West-Bank und Gaza waren nicht unbegründet: Die Likud-Regierung unter Shamir maß dem Siedlungsausbau hohe Priorität bei und schuf verschiedene Anreize für Israelis und insbesondere Neueinwanderer, in die besetzten Gebiete zu ziehen. Von arabischer Seite wurde Druck auf die USA ausgeübt, diese Vorgänge nicht zu tolerieren. Washington, das wegen der unterstützenden Politik vieler arabischer Staaten während des Golfkrieges in deren Schuld stand, entschloss sich schließlich, die Bewilligung eines 10 Milliarden Dollar Kredits, der für die Aufnahme der russischen Einwanderer dringend benötigt wurde, an die Einfrierung sämtlicher Siedlungsaktivitäten zu koppeln. Das starre Festhalten der Regierung Shamir an einem fortgesetzten Siedlungsausbau hatte die Zurückhaltung dieser US-Kredite zur Folge. Hierdurch verschärften sich die innenpolitischen Probleme, nicht zuletzt im Hinblick auf die Aufnahme russischer Einwanderer. Dies trug mit zum Sturz der Likud-Regierung und zum Wahlsieg der Arbeitspartei 1992 bei, die ihrerseits eine gänzlich veränderte Politik hinsichtlich der besetzten Gebiete und der arabischen Staaten verfolgte. Damit begann der Friedens- oder Oslo-Prozess. Der arabische Druck konnte zwar nicht die Masseneinwanderung aus der Sowjetunion stoppen, trug aber zumindest indirekt zu einem Politikwechsel in Israel bei.
Bei den arabischen Israelis fielen die Reaktionen auf die russische Einwanderung eher gemäßigt aus. Auch wenn die Mehrheit sich ebenfalls gegen eine Ansiedlung in den besetzten Gebieten aussprach und man Ängste bezüglich einer möglichen Konkurrenz um Ressourcen und Arbeitsplätze hatte, opponierte nur eine Minderheit offen und grundsätzlich gegen die russische Einwanderung. Die Ängste waren in der Regel an konkrete Probleme vor Ort gebunden. Doch wurde auch vereinzelt die Sorge vor einem möglichen Transfer von Palästinensern geäußert. Wie noch zu zeigen sein wird, waren dies Ideen, wie sie damals nur von kleinen Gruppen am rechten Rand des politischen Spektrums vertreten wurden, durch einen russischen Israeli jedoch später eine zunehmende Akzeptanz erfahren sollten (siehe Kapitel 3.2).
Ob die arabische Haltung zur russischen Einwanderung zum negativen Bild, das sich viele Russen von den Arabern machen, beigetragen hat, fand in der Literatur keine besondere Beachtung, ist aber nicht unwahrscheinlich.
III. Politische Ausrichtung
"It has been shown that ethnic voting patterns and political mobilization among immigrants are mainly the outcome of pragmatic considerations and the desire of immigrants to utilize the existing system to integrate into Israel society as a group not just as individuals."
"Insgesamt gelten die russischen Juden als unideologische und pragmatische Wähler, verschiedene empirische Studien attestieren aber viel Sympathie für eine rechtskonservative Innenpolitik."
"The political outlook of most Russian Israelis can be summed up as three antis: anti-socialist, anti-Arab/Moslem, and anti-religious."
Das israelische Rückkehrgesetz sieht die Verleihung der Staatsbürgerschaft mit vollen Rechten und Pflichten mit dem Tag der Einreise vor, sodass Neueinwanderer umgehend am politischen Leben teilnehmen können und aktives wie passives Wahlrecht erhalten.
Wie die Zitate darlegen, werden in der Literatur in der Regel innerhalb der russischen Neueinwanderer hinsichtlich ihrer politischen Ausrichtung zwei widersprüchliche Trends betont: Zum einen gelten sie als tendenziell rechts wählend, zum anderen wird ihnen Pragmatismus sowie ein Misstrauen gegenüber ideologischen Positionen bescheinigt. Auch wenn der Trend zu tendenziell rechten Parteien unbestritten ist, kann von einer stringenten rechten politischen Ausrichtung nur bedingt die Rede sein. Hinsichtlich der politischen Präferenzen durchlief die Gruppe der russischen Neueinwanderer stattdessen verschiedene Entwicklungen, die sich in den 90er Jahren durch wechselndes Wahlverhalten ausdrückten und die Regierungswechsel 1992 und 1996 mit beeinflussten. Zunächst waren keine festen Verbindungen zu einer bestimmten Partei feststellbar, eigene Parteien hatten zu Beginn keine lange Lebensdauer, und erst ab Mitte der 1990er Jahre wurden russische Klientelparteien erfolgreich.
Dabei ist zu beachten, dass in Israel Wahl- und Politikverhalten immer stark von häufig kurzlebigen Trends, vom gesellschaftlichen Klima sowie von den unterschiedlichen Phasen des Nahostkonflikts abhängig sind. Hinzu kommt die Problematik eines stark fragmentierten Parteiensystems; ein Trend, der sich in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich verschärft hat.
III.1. Parteien
Parteigründungen mit einer explizit ethnischen Ausrichtung sind ein Phänomen, das erstmals in den 1980er Jahren durch sephardische Juden mit der Partei Shas erfolgreich praktiziert wurde. Ihr kometenhafter Aufstieg ebnete den Weg für weitere Klientelparteien und eröffnete einen Trend, wovon vor allem die russischsprachigen Israelis profitierten.
Bereits seit den frühen 1990ern gab es verschiedene Parteigründungen durch russische Einwanderer. Im Folgenden werden nur die drei Parteien betrachtet, die bei Knesset-Wahlen die Sperrklausel von 1,5%, seit 2003 2%, übersprungen haben.
Beachtlich ist die Tatsache, dass fast alle Führungsfiguren der besprochenen Parteien nicht zur Einwanderungswelle der 1990er Jahre gehören, und dass jede der Parteien sehr stark von ihrer charismatischen Führungsfigur abhängig ist.
III.1.1. Israel BaAlija (IBA)
Vorgänger dieser Partei des prominentesten "Prisoner of Zion" Nathan Sharansky (eingewandert 1986) war das Zionistische Forum. Das Forum wurde 1988 als außerparlamentarische Interessenvertretung russischer Israelis gegründet. Es verstand sich als Organisation, die sich gegen das jüdisch-zionistische Establishment stellte und das negative, mit vielen Stereotypen behaftete Bild des "Russen" in Israel zu korrigieren suchte. Ziel war es, Beratungs- und Unterstützungsfunktionen gegenüber russischen Israelis wahrzunehmen und durch Öffentlichkeitskampagnen dem negativen Bild des "Russen" in Israel entgegenzuwirken. Durch die Verwurzelung in der russischen Community und die Verbindung mit lokalen Organisationen verfügte IBA über eine solide Basis und konnte durch ihre Regierungsbeteiligung viele Verbesserungen erreichen. Sie schuf damit auch die Grundlage für Israel Beitenu.
Das Bewusstsein über die eigene Stärke, verbunden mit einem Mangel an angemessener Repräsentation russischer Israelis in den etablierten Parteien, verstärkte innerhalb des Forums die Diskussionen über eine eigene Parteigründung. IBA wurde im Juni 1995 als säkulare Partei der Mitte gegründet. Wichtigste Figur neben Sharansky war Yuli Edelstein (eingewandert 1987). IBA erlangte bei der Knesset-Wahl 1996 einen Achtungserfolg von 5,7%, konnte mit 7 Kandidaten in die Knesset einziehen und wurde, mit zwei Ministerposten ausgestattet (Industrie/Handel und Einwanderungsfragen), Teil der Regierung Netanjahu.
Lange Zeit blieb IBA eine gemäßigte Partei der Mitte. Hardline-Positionen existierten, waren jedoch nicht durchgängig vorhanden. Eher charakteristisch ist ihre pragmatische, zum Teil auch indifferente Haltung. So hatte IBA keine stringente Haltung zum Friedensprozess entwickelt, koalierte mal mit dessen Gegnern vom Likud, mal mit den Befürwortern in der Arbeitspartei. Bei den Knesset-Wahlen 1999 verlor IBA leicht an Stimmen (5,1%, 6 Sitze), trat jedoch der Regierung Barak bei und erhielt das Innenministerium. Bereits kurz nach der Wahl verließen zwei Abgeordnete die Partei aus Protest gegen den zunehmenden Rechtskurs (Democratic Choice, siehe Kapitel 3.1.2). Im Juli 2000 schied IBA aus Protest gegen Baraks Verhandlungen mit den Palästinensern aus der Regierung aus. Damit begann sie gegen Ende ihrer Existenz einen klaren Rechtskurs. 2001 wurde sie Teil der Regierung Sharon und stellte erneut einen Minister (Wohnungsbau). Die Wahlen vom Januar 2003 brachten einen deutlichen Stimmenverlust mit sich und IBA rutschte auf 2,1% (2 Sitze) ab. Kurze Zeit später fusionierte die Partei mit dem Likud, Sharansky zog sich aus der Politik zurück.
III.1.2. Democratic Choice (DC)
Gegründet wurde die DC im Juli 1999 von zwei linken, dissidenten Mitgliedern von IBA, Roman Bronfman (eingewandert 1980) und Alexander Tzinker (eingewandert 1990). Die Partei, die nicht mehr als eine Zwei-Personen-Organisation war, orientierte sich an der sozialdemokratischen Linken Arbeitspartei und Merez. Sie trat bei den Wahlen 2003 gemeinsam mit Merez an. Bronfman erhielt erneut einen Sitz in der Knesset. 2006 plante die Partei alleine anzutreten, löste sich aber kurz vor der Wahl auf.
III.1.3. Israel Beitenu (IB)
Im Januar 1999 von dem ehemaligen Likud-Mitglied und Büroleiter von Benjamin Netanjahu Avigdor Lieberman (eingewandert 1978) gegründet, versteht sie sich als Sammelbecken rechter russischer Einwanderer, die sich gegen Konzessionen gegenüber den Arabern und Palästinensern aussprechen. Die Parteigründung erfolgte aus Protest gegen die Verhandlungen Netanjahus mit den Palästinensern und dem daraus resultierenden Wye-Abkommen 1998. Enttäuscht über den Verbleib von IBA in der Koalition gründete Lieberman, unterstützt von IBA Abtrünnigen, u.a. Michael Nudelman (eingewandert 1991) und Yuri Stern (eingewandert 1981), Israel Beitenu. Ihre politische Ausrichtung ist nationalistisch, säkular und betont antiarabisch (Transferlösung, siehe Kapitel 3.2). Die spezifische Ausrichtung auf "russische" Themen ist deutlich schwächer ausgeprägt als bei IBA. Auch wenn IB IBA als russische Partei beerbt hat, erfüllt sie wegen einer anderen, nur bedingt immigrantenspezifischen inhaltlichen Schwerpunktsetzung, nicht deren Rolle. Wichtiger sind nationalistische und damit ?gesamtisraelische? Fragen , was sich auch in der Bereitschaft der Partei niederschlägt, sich temporär 2001-2005 mit anderen rechten, nicht-russischen Parteien (Moledet, Tkuma u.a.) zur Nationalen Union (Ichud Leumi) zusammenzuschließen. Diese Parteien erhielten davor wegen ihrer religiösen Ausrichtung nie einen nennenswerten Stimmenanteil von den russischen Wähler. IB ist dabei keine reine Ein-Punkt-Partei, sondern fordert zusätzlich erleichterte Einreisebedingungen besonders für russische Juden und eine Säkularisierung der Gesellschaft, so beispielsweise eine Vereinfachung der Eheschließung und eine Erleichterung der Konversion zum Judentum. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Forderung nach innerer Sicherheit und einer konsequenten Bekämpfung von Kriminalität. In der Knesset trat Lieberman mit zum Teil schrillen Verlautbarungen auf. So forderte er z.B. die Hinrichtung arabischer Abgeordneter, die Kontakte zur Hamas oder Hisbollah unterhielten oder die Verbringung palästinensischer Häftlinge an einen Ort, "von dem aus sie nicht zurückkehren".
Bei den Knesset-Wahlen 1999 gewann IB 2,6% (4 Sitze). Als Teil der Nationalen Union trat sie im Februar 2001 der Regierung Sharon bei. Lieberman wurde Infrastrukturminister. Bei den Wahlen 2003, weiterhin als Teil der Nationalen Union, gewann IB 3 Sitze (Nationale Union gesamt 7 Sitze (5,52%)) und war weiterhin Teil der Regierung Sharon. Lieberman wurde Transportminister. Aus Protest gegen Sharons Gaza-Rückzugspläne verließ die Nationale Union die Koalition im Juni 2004. 2005 verließ Israel Beitenu das Bündnis und trat für die Wahl im März 2006 wieder als Einzelpartei an. Mit 8,99% (11 Sitzen) erreichte sie das bis dato beste Ergebnis aller "russischen" Parteien. Sie war von Oktober 2006 bis Januar 2008 Teil der Kadima-Arbeitspartei-Regierung, Lieberman bekleidete das Amt des Ministers für Strategische Angelegenheiten. Die Partei verließ die Koalition aus Protest gegen Friedensverhandlungen mit den Palästinensern. Für die Wahl 2009 trat sie erneut als Einzelpartei an und verbesserte ihr Ergebnis auf 11,7% (15 Sitze). Sie wurde damit drittstärkste Partei.
Inzwischen hat IB aufgehört, eine rein russische Partei zu sein und hat einen Prozess der Israelisierung begonnen. In ihrer aktuellen Knesset-Fraktion (2009) haben 7 von 15 Personen keinen russischen Migrationshintergrund. 2006 war das Verhältnis noch 4 zu 11. Wegen des Niedergangs anderer rechter Parteien hat sie quasi deren Erbe angetreten. Trotzdem wird sie weiterhin fast ausschließlich von russischen Einwanderern gewählt: 2006 erhielt sie 48% der russischen Stimmen, aber nur 3% aus der übrigen israelischen Bevölkerung. Ob die Verbreiterung des nicht-russischen Anteils innerhalb der Partei auch die Wählerbasis weg von einer fast reinen russischen Partei erweitert hat, lässt sich im Hinblick auf die Wahlen vom Februar 2009 noch nicht sagen. Von der traditionellen Rechten unterscheidet sich IB durch das Fehlen religiöser und messianischer Motive.
III.2 Transfer- oder Austauschlösungen der israelischen Rechten
"[T]he only possible solution is the exchange of territory and populations, with the goal of the separation of the Jewish and Arab nations, respectively."
"An additional measure that would assure the existence of Israel as a Jewish, Zionistic, and democratic state is the introduction of a new citizenship law, which would make citizenship contingent upon one's declaration of loyalty to the State of Israel as a Jewish state, its symbols, authority and a commitment to serve in the army or in an alternate civilian program. Anyone [...] who makes the above declaration is welcome to be a citizen of Israel, regardless of race or creed, and conversely, one who refuses to comply may reside in Israel and enjoy state benefits but will not have the right to vote or run for office."
Bereits als Teil des Bündnisses Nationale Union vertrat IB die Aussiedlung von Palästinensern aus israelisch kontrollierten Gebieten. Vom Vorsitzenden der Moledet-Partei innerhalb der Nationalen Union, Rechavam Zeevi, stammte ein Transferplan, der die Aussiedlung der Palästinenser aus der West-Bank und Gaza in die umliegenden arabischen Staaten vorsah. Dieser Plan beruht in seinen Grundzügen auf einem älteren Entwurf des rechtsradikalen Rabbi Meir Kahane und seiner Kach-Partei. Der Transfergedanke à la Lieberman weist in zentralen Punkten Unterschiede und Besonderheiten auf.
Parallel zu Sharons Gaza-Rückzugsplänen entwarf Lieberman im Mai 2005 einen eigenen Transferplan, der nach ihm "Lieberman-Plan" genannt wurde. Die Grundlage des Plans ist nicht die Annexion bestimmter Gebiete aus ideologischen oder sicherheitsrelevanten Motiven oder die Vergrößerung Israels zuungunsten der Palästinenser, sondern die Herstellung möglichst großer ethnischer Homogenität. Er sieht eine Neuziehung von Grenzen anhand ethnischer Kriterien vor. Demnach sollen jene Gebiete mit Siedlungsblöcken in der West-Bank von Israel annektiert und zum Austausch arabisch besiedelte Gebiete Israels an die West-Bank und damit an einen möglichen Palästinenserstaat abgetreten werden. Gemeint sind hier die grenznahen, arabisch dominierten Gebiete des so genannten ?Triangels?, die die Städte Um el Fahm, Taibe und Tira umfassen.
Die Aussiedlung arabischer Israelis habe dabei jedoch auf rein freiwilliger Basis zu erfolgen. Diejenigen Araber, die es vorzögen, in Israel zu verbleiben, hätten einen Treueid auf den Staat, seine Verfassung und seine Symbole zu leisten. Wenn sie dies verweigerten, müssten ihnen staatsbürgerliche Rechte, wie z.B. das Wahlrecht aberkannt werden. IB spricht in diesem Zusammenhang von "Responsible Citizenship". Vorbild für diese Form des Transfers ist dabei die Insel Zypern mit ihrer klaren Separation griechischer und türkischer Staatsbürger. Diese Maßnahme ist eher als ein Austausch von Territorien denn als ein Bevölkerungstransfer zu verstehen. Damit bricht der Plan eindeutig mit rechts-zionistischen und nationalreligiösen Traditionen israelischer Parteien. Das Abtreten von israelischem Kernland oder die Aufgabe bestimmter von religiösen Rechten als heilig betrachteter Gebiete ist für die genannten Strömungen der israelischen Rechten bis heute undenkbar. Der Lieberman-Plan folgt rein pragmatischen, säkular-nationalistischen Prämissen und verfolgt als einziges Ziel das der ethnischen Homogenität. Im Gegensatz zur national-religiösen Rechten und der radikalen Siedlerbewegung sieht er eine Zwei-Staaten-Lösung vor und ist bereit, Gebiete sowohl des israelischen Kernlandes als auch der besetzten Gebiete abzutreten. Diese für die politische Rechte untypische Verschiebung ließ manche in der israelischen Öffentlichkeit annehmen, IB habe seine Positionen gemäßigt oder habe sich von rechts in die Mitte bewegt. Die antiarabische Haltung bzw. der Wunsch nach einem ethnisch möglichst homogenen Gebiet wurde dadurch keineswegs aufgegeben. Im Gegenteil: Ethnische Homogenität ist selbst unter der national-religiösen Bewegung eine Minderheitenposition. Die Mehrheit strebt eine jüdisch-israelische Dominanz der besetzten Gebiete und eine Unterordnung der Palästinenser dieser Regionen an. Transferideen finden sich bei ihnen kaum. IB ignoriert dabei vollständig, dass die übergroße Mehrheit der arabischen Israelis (aktuell 89%) keinerlei Ambitionen hat, Israel zu verlassen und sich in einem künftigen Palästinenserstaat niederzulassen.
Analog zur Wählerbasis unterstützen 81% der Russen die Idee, Araber zur Ausreise aus Israel zu ermuntern, während diese bei ?nur? 56% der restlichen jüdischen Bevölkerung Zustimmung erfährt.
IB hat insgesamt zu einer Verschiebung des primären Feindbildes beigetragen. Weg von den Palästinensern in den besetzten Gebieten hin zu den arabischen Israelis. Sie werden verstärkt als Feind im eigenen Land, als "Fünfte Kolonne" diffamiert. IB hat damit in vielerlei Hinsicht für eine Neudefinition rechter Positionen gesorgt. Trennungspläne gewinnen durch die wachsende Unterstützung der Partei eine breitere Akzeptanz.
III.3 Russische Stimmen und russische Parteien bei den Knesset-Wahlen
Grundsätzlich gilt für das politische System Israels nicht erst seit den 1990er Jahren, dass Regierungen instabil sind und in der Regel vor Ablauf einer Legislaturperiode zu Fall kommen. Begünstigt wird dies durch ein zersplittertes Parteiensystem, mit vielen meist kurzlebigen Klein- und Kleinstparteien und schnell wechselnden politischen Trends.
III. 3.1. Juni 1992: Russische Wahlberechtigte: 240.000 (8% aller Wahlberechtigten- entspricht 9-10 Parlamentssitzen)
In dieser ersten Knesset-Wahl, an der die russischen Einwanderer teilnahmen , orientierten sie sich in erster Linie an den bereits existierenden großen israelischen Parteien. Eigene Parteigründungen fanden ohne eine breitere Basis statt, und keiner dieser Parteien gelang es, die notwendige 1,5%-Hürde zu überspringen. Durch die Unzufriedenheit über die regierende Likud-Regierung unter Shamir und deren Versäumnisse hinsichtlich einer effektiven Integration der Neueinwanderer, verbunden mit großzügigen Versprechen seitens der Arbeitspartei, votierte eine Mehrheit der Russen 1992 für diese Partei und begünstigte damit den Regierungswechsel von Shamir zu Rabin (siehe Kapitel 2). Zu dieser Zeit befanden sich keine russischen Neueinwanderer auf den Listen der etablierten Parteien.
Trotz ihrer Unterstützung für die Arbeitspartei ließen sich schon damals Trends hinsichtlich einer harten Haltung gegenüber den Arabern und der Frage nach einer Rückgabe von Territorien ausmachen. Das Votieren für die Arbeitspartei stand dabei nicht im Zusammenhang mit deren Eintreten für einen Friedensprozess, sondern einzig und allein mit pragmatischen Erwägungen. Ursprünglich plante die Mehrheit der Russen, für den Likud zu stimmen, was sich erst kurz vor der Wahl wegen konkreter Maßnahmen der Regierung änderte.
Dabei lässt sich feststellen, dass der Trend rechte Parteien zu wählen, mit dem Grad der Zufriedenheit mit der eigenen Situation wächst. Das bessere Abschneiden der linken Parteien bei den Russen lässt sich auf folgendes zurückführen: Zum einen das Versagen der amtierenden Regierung bei Belangen, die die Einwanderer betreffen und zum anderen die weit reichenden Versprechen der oppositionellen Arbeitspartei, sich dieser Belange anzunehmen.
Der Trend nach rechts war zu jener Zeit noch nicht vollständig ausgebildet. Für die politische Öffentlichkeit kristallisierte sich heraus, dass die "russischen Stimmen" bei zukünftigen Wahlen zum ?Zünglein and der Waage? werden könnten, was eine Hinwendung zu ihnen als Wählergruppe notwendig machen würde.
III.3.2. Mai 1996: Russische Wahlberechtigte: 400.000 (13% aller Wahlberechtigten- entspricht ca. 11 Parlamentssitzen)
Diese Wahl enthielt ein Novum: Durch eine Reform des Wahlverfahrens wurden zum ersten Mal Premierminister und Parlament getrennt gewählt. Hierfür erhielten die Wähler zwei Stimmen: Mit der ersten votierten sie nach dem Mehrheitsprinzip direkt für einen Kandidaten für das Premierministeramt, mit der zweiten wählten sie wie gewohnt eine Parteiliste für die Knesset. Obwohl diese Reform den Premierminister stärken und die zunehmende Zersplitterung des Parlaments aufhalten sollte, hatte sie einen gegenteiligen Effekt: Da man sich mit der Erststimme zwischen zwei Kandidaten entscheiden musste, nutzten viele ihre Zweitstimme für Klein- und Klientelparteien, wodurch die Fragmentierung des Parteienspektrums weiter voranschritt. Aus diesem Grunde wurde die Reform zur Knesset-Wahl 2003 wieder rückgängig gemacht ohne den beschriebenen Effekt aufzuhalten.
Die Wahlen standen unter dem Eindruck des seit 1993 laufenden Friedensprozesses mit den Palästinensern, der Ermordung Itzchak Rabins im November 1995 und einer Terrorwelle durch palästinensische Selbstmordattentäter. Anders als nach bisherigen israelischen Trends erwartet, hatten sich die russischen Neueinwanderer nicht bereits nach wenigen Jahren in das politische System Israels integriert. Die Integration vollzog sich deutlich langsamer als ursprünglich angenommen. Als Gruppe nehmen sie seitdem damit eine Sonderstellung ein. Wieder waren die russischen Stimmen entscheidend für den Ausgang der Wahlen und damit für die Abwahl der amtierenden Regierung. Bei der Direktwahl des Premierministers stimmten 70% der Russen für Netanjahu und 30% für Barak. 43% der russischen Zweitstimmen entfielen auf die neu gegründete Klientelpartei Israel BaAliya des ehemaligen "Prisoner of Zion" Nathan Sharansky. Innerhalb der russischen Wähler wurde diese Partei hauptsächlich von Intellektuellen, älteren Menschen und ökonomisch weniger Integrierten gewählt. Bemerkenswert ist, dass die Parteigründung nicht aus einem Gefühl der Schwäche oder Ohnmacht, sondern genau im Gegenteil aus einem Bewusstsein über die eigene Stärke und den eigenen Einfluss erfolgte. Die Gründung einer ethnischen Partei durch erst kurz im Land lebende Einwanderer und ihr direkter Erfolg bei einer Knesset-Wahl stellten ein absolutes Novum in der israelischen Geschichte dar. Die Wahl von IBA verstärkte eine eigene Identität. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass sich ein Trend der russischen Wähler nach rechts deutlich abzeichnete. Je größer der russische Anteil in Städten und Gemeinden war, desto schwächer schnitten die linken Parteien ab. Trotzdem war dies kein Trend, der in jeder Hinsicht eindeutig war. So betrachteten viele Russen IBA nicht zwangsläufig als rechte Partei. Viele wählten mit ihrer ersten Stimme Peres, wobei wie schon 1992 die Einstellung zum Friedensprozess nicht der ausschlaggebende Grund für die Wahl der Linken gewesen war. Das rechtslastige Wahlergebnis wurde insgesamt von drei Faktoren bestimmt:
- Enttäuschung über den Friedensprozess und Terror.
- Veränderung in der Zusammensetzung der Immigranten: Zwischen 1992 und 1996 kamen mehr Menschen aus den asiatischen Republiken und aus dem Kaukasus, die aufgrund ihrer Erfahrungen mit einem islamischen Umfeld tendenziell eher anti-islamische Einstellungen aufweisen.
- Enttäuschung über die Sozialpolitik der Arbeitspartei.
Die bereits beschriebene Doppelrolle von Integration und Bewahrung der eigenen Identität gewann weiter an Konturen. Das Auftreten von IBA und der rasante Aufstieg dieser Partei stärkten die russische Identität nachhaltig.
III.3.3. Mai 1999: Russische Wahlberechtigte: 685.000 (16% aller Wahlberechtigten - entspricht ca. 19 Parlamentssitzen)
Die vorgezogenen Neuwahlen 1999, die in einer vergleichsweise ruhigen Zeit stattfanden, brachten erneut einen Regierungswechsel mit sich, welcher hauptsächlich durch die Unpopularität der Regierung Netanjahu zustande kam. Der Wahlsieg Baraks im direkten Vergleich mit Netanjahu fiel so eindeutig aus, dass zum ersten Mal den russischen Stimmen keine entscheidende Rolle zukam. Das Wahlverhalten der Russen entsprach bei der Wahl des Premierministers dem der übrigen Bevölkerung. Die Fragmentierung der Knesset setzte sich weiter fort. Der Trend weg von den beiden großen Parteien hin zu Klientel- und ethnischen Parteien, wie er von dem neuen Wahlsystem begünstigt wurde, prägte sich weiter aus.
Zum dritten Mal entschied sich eine Mehrheit der russischen Wähler gegen die amtierende Regierung. Wie schon 1992 bedeutete die Wahl linker Kandidaten oder Parteien keine Korrektur des generellen Rechtstrends. Die Bereitschaft, territoriale Konzessionen zu machen, war nach wie vor geringer als in der Gesamtbevölkerung. Die Mehrheit orientierte sich an der politischen Mitte, die stärkere Gewichtung nach rechts blieb bestehen. Die Parteien der Linken schnitten bei den Russen, verglichen mit dem Wahlverhalten der Gesamtbevölkerung, schlechter ab.
IBA hielt sich mit eindeutigen politischen Aussagen zurück, weshalb sie das Etikett "Swing-Party" verpasst bekam. Dazu passt gleichfalls, dass sie nun in die Regierung Barak eintrat, nachdem sie zuvor mit Netanjahu regiert hatte. Mit der neu gegründeten Israel Beitenu von Avigdor Lieberman zogen 1999 erstmals zwei "russische" Parteien in die Knesset ein.
Die Wahlkampagne von IBA konzentrierte sich fast ausschließlich auf die Gewinnung des Innenministeriums und setzte sich damit in direkte Konkurrenz zur Shas Partei, die dieses Ministerium seit Beginn der Einwanderung aus der Sowjetunion die meiste Zeit innehatte. Der Antagonismus zu Shas erwuchs hauptsächlich aus deren Kampagne, die jüdische Herkunft von Neueinwanderern stärker zu kontrollieren, da sie eine Unterminierung des jüdisch-religiösen Charakters Israels befürchtete. Eine Entwicklung, für die sie hauptsächlich die "gottlosen" Russen verantwortlich machte. Im Gegensatz dazu gehörte eine vereinfache Einwanderung zu den Hauptzielen von IBA, die dadurch den russischen Anteil in Israel weiter vergrößern wollte.
In der Frage des Premierministers spalteten sich die beiden russischen Parteien: IBA unterstützte nach einem Zerwürfnis mit Netanjahu die Arbeitspartei, dies jedoch ohne mit deren Positionen z.B. in Bezug auf den Friedensprozess übereinzustimmen. Lieberman hingegen favorisierte Netanjahu wegen der größeren Schnittmenge in Bezug auf eine unnachgiebige Haltung gegenüber den Palästinensern. Anders als Sharansky legte Lieberman den Fokus weniger auf immigrantenspezifische Themen, als auf allgemein rechte, nationalistische. IBA gewann 6, IB 4 Sitze, zusammen ergab das 7,7% der Gesamtstimmen. Ca. 54% der Russen wählten diese beiden Parteien. Damit haben die Russen nach den arabischen Israelis den höchsten Anteil an ethnischem Wahlverhalten. Der Trend, eine Klientelpartei zu wählen, korreliert mit dem Grad der Unzufriedenheit mit der eigenen Situation. Das bedeutet, dass bei einer erfolgreicheren Integration auch ein Rückgang oder gar Verschwinden bzw. ein Umbau der Klientelparteien zu erwarten wäre.
Nach der 1999er Wahl wurde der Partei von Sharansky ein ähnlicher Aufstieg wie der Shas Partei vorausgesagt. Eine Vorhersage, die sich jedoch nicht bewahrheitete. IB füllt die Lücke, die das Verschwinden von IBA bedeutet, nicht aus, da sie eine andere Struktur aufweist und ein anderes Klientel anspricht, und gleichzeitig von Begin an eine ?israelischere? Ausrichtung hatte. Der russische Anteil von 16% der Wahlberechtigten, der sich in dieser Größenordnung einpendelte, bedeutete ein enormes Potential für künftige Wahlen.
Dabei lässt sich erneut feststellen, dass je zufriedener die Neueinwanderer mit ihrer Lebenssituation sind, desto eher neigen sie dazu, rechts zu wählen.
III.3.4. März 2003: Russische Wahlberechtigte: 708.000 (15% aller Wahlberechtigten) Entspricht 17-18 Parlamentssitzen
Der März-Wahl 2003 ging eine einzelne Wahl zum Premierminister im Februar 2001 voraus. In ihr schlug Ariel Sharon Ehud Barak mit einer überwältigenden Mehrheit 62,5% zu 37,5%. Der Sieg fiel so eindeutig aus, dass erneut die russischen Stimmen für die Wahl nicht ausschlaggebend waren. Sie wählten mit einem leicht höheren Anteil als die restliche jüdische Bevölkerung Sharon. Dies war auch die letzte Direktwahl des Premierministers, die Reform wurde kurz nach Sharons Wahlsieg wieder rückgängig gemacht. Sharon regierte mit der Arbeitspartei zusammen eine Koalition der nationalen Einheit.
Beide Wahlen standen unter dem Eindruck der zweiten Intifada, den verheerenden Anschlägen, die Israel in jenen Jahren erschütterten und den harten Gegenschlägen der Regierung. Trotz der katastrophalen wirtschaftlichen Lage, die ein Nebenprodukt der Intifada war, dominierten sicherheitspolitische Fragen beide Wahlen. Normalerweise würde keine Regierung mit einer solch katastrophalen Bilanz eine Wiederwahl erfahren, doch die absolute Dominanz sicherheitspolitischer Themen, vor allem bei den russischen Wählern, ermöglichte den erneuten Wahlsieg Sharons. Der klare Sieg des Likuds bei der Knesset-Wahl führte zur Bildung einer rechten Koalition unter Einschluss von Shinui, der Nationalreligiösen Partei und der von Lieberman geführten Nationalen Union. Diese Koalition war die am weitesten rechts stehende, die Israel bis dahin erlebt hatte.
In der Wahlanalyse "The Elections in Israel 2003" versehen Goldstein und Gitelman das von ihnen verfasste Kapitel mit der Frage "From Russians to Israelis"?. Sie deuten damit an, dass die Transformation der Russen in "normale" israelische Staatsbürger zumindest eine Hypothese ist. Die Immigration aus der ehemaligen Sowjetunion wird als weitgehend abgeschlossener Prozess betrachtet. Daraus resultiert die Frage, ob sich die Gruppe der Russen innerhalb Israels eher integriert oder segregiert. Der Niedergang von IBA, die mit nur noch 6% (2 Sitze) eine herbe Niederlage verzeichnete und kurz nach der Wahl mit dem Likud fusionierte, sowie der Beitritt von IB zur Nationalen Union (5,5%, 7 Sitze, davon 3 IB), schienen die Integrationsthese zu bestätigen (insgesamt wählten nur noch 40% der Russen eine der beiden Parteien, Nationale Union 24%, IBA 16%) . Hinzu kam die nachlassende Bereitschaft, vor allem unter jungen Russen, für Klientelparteien zu stimmen, was ebenfalls für die Integrationsthese spricht. Allerdings wurden erneut beide Klientelparteien fast ausschließlich von Russen gewählt. Das schlechte Abschneiden von IBA hing hauptsächlich mit deren Vernachlässigung des dominanten Themas Sicherheit zusammen.
Die Wahlen 2003 können nur durch die Ausnahmesituation, in der Israel sich befand, richtig interpretiert werden. Ebenfalls kommt der Person Sharons eine herausragende Bedeutung zu, der in der gesamten israelischen Bevölkerung ein sehr hohes Ansehen besaß.
Insgesamt stimmten die Russen 2003 noch weniger für linke und russische Parteien. Die Gewinner national, aber vor allem unter den Russen, waren der Likud und Shinui, eine betont rechte und eine betont säkulare, aber beides keine russischen Parteien. Der Rechtstrend ist ungebrochen, was 2003 aber in hohem Maße der aktuellen politischen Situation des Landes geschuldet ist.
III.3.5 März 2006: Russische Wahlberechtigte: 802.200 (16% aller Wahlberechtigten)
Entspricht 19-20 Parlamentssitzen
Den vorgezogenen Wahlen vom März 2006 waren eine Reihe wichtiger Ereignisse vorangegangen: Zunächst zog sich Israel im August 2005 einseitig aus dem Gazastreifen zurück. Dies setzte eine Dynamik in Gang, die die israelische Parteienlandschaft nachhaltig veränderte: Die Likud internen Auseinandersetzungen um den Gazarückzug führten dazu, dass Sharon und viele seiner Anhänger die Partei verließen und die neue Partei Kadima gründeten. Auch Teile der Arbeitspartei schlossen sich dieser neuen Partei an. Kurze Zeit nach der Neugründung erlitt Sharon einen Schlaganfall und liegt seitdem im Koma. Er wurde von Ehud Olmert beerbt.
Die Wahl im März 2006 brachte einen klaren Sieg der Kadima-Partei, die zusammen mit der Arbeitspartei, Shas und der neu gegründeten Rentner-Partei die Regierung bildete. Die Wahlbeteiligung war so gering wie nie zuvor. Die Fragmentierung und Kurzlebigkeit von kleinen Parteien verstärkte sich weiter.
IB, die sich aus dem Bündnis Nationale Union gelöst hatte, trat wieder als Einzelpartei an und errang das bis dato beste Ergebnis weit rechts stehender Parteien mit rund 9% bzw. 11 Sitzen. Mit 48% der russischen Stimmen erreichte sie auch das höchste Ergebnis einer russischen Einzelpartei. Damit war die Vorhersage falsch, dass die russischen Parteien nach dem Ende von IBA verschwinden würden. Relativierend muss jedoch hierzu angemerkt werden, dass eine Mehrheit der Russen ursprünglich plante, Sharon zu wählen. Sein Nachfolger Olmert konnte die Rolle des starken Führers, die Sharon verkörpert hatte, nicht ersetzen, weshalb etwa 20% weniger für Kadima stimmten.
Im Oktober 2006 trat IB der Regierung bei. Die Ernennung des ersten arabisch-muslimischen Ministers im Januar 2007 rief heftige Proteste von IB hervor. Sie sprachen von einem "tödlichen Schlag gegen den Zionismus", Lieberman forderte den Rücktritt von Verteidigungsminister Amir Peretz. Bis in die Likud Partei wurden diese Aussagen als rassistisch und unakzeptabel zurückgewiesen. Trotzdem verblieb IB bis Januar 2008 in der Regierung.
Spätere Analysen haben das Wahlverhalten der Russen anhand bestimmter Faktoren weiter differenziert: So lässt sich die Wahl russischer Parteien anhand der innerrussischen ethnischen Verteilung weiter aufschlüsseln. IBA und IB schneiden bei den kaukasischen und bucharischen Juden deutlich schlechter ab als bei den ashkenasischen. Daraus lässt sich schließen, dass die beiden Erstgenannten sich weitaus besser in das politische System Israels integriert haben als die ashkenasischen Juden.
Auch anhand des Einwanderungsjahres lassen sich Unterschiede im Wahlverhalten erkennen. So ist die Attraktivität von rechten und besonders von Klientelparteien hauptsächlich bei den Einwanderungsjahrgängen 1992-1999 anzutreffen. Die Einwanderer der Jahre 1989-1991 und ab 2000 haben negative Erfahrungen ihres Einwanderungsprozesses unter Likud-Regierungen gesammelt, weshalb sie eher zu Parteien der Mitte (v.a. Kadima 2006) tendieren. Hinzu kommt der starke nicht-jüdische Anteil der Einwanderer ab dem Jahre 2000, der sich in erster Linie durch gemäßigte Parteien vertreten sieht (v.a. Shinui 2003).
Die Kategorisierung der Russen als Protestwähler trifft nur auf die Jahre 1992, 1996 und 1999 zu. 2003 unterstützten sie die amtierende Regierung, 2006 war das Verhältnis gespalten.
Die Integrationsthese greift nicht und dies trotz des Verschwindens von IBA. Die Lücke wird, auch wenn die Wählerbasis eine andere ist, von IB geschlossen. Auch wenn das Wahlverhalten der einzelnen Jahrgänge variiert, so bleibt es innerhalb dieser Gruppen weitgehend konstant.
Weitere Voraussagen gestalten sich schwierig. Viele der bisherigen Prognosen waren falsch: 1992 erwartete man eine schnelle Integration der Russen. 1996 revidierte man diese Aussage, der Erfolg von IBA 1996 und 1999 führte zu Prognosen eines lang anhaltenden Trends dieser ethnischen Partei, vergleichbar mit der Shas Partei. 2003 wurde ein Nachlassen der Bereitschaft, ethnische Parteien zu wählen, festgestellt, IBA verschwand als eigene Partei und IB trat dem Bündnis Nationale Union bei. Ein differenziertes Bild wurde in den Wahlanalysen zu 2006 entworfen. Es wurde die Frage nach dem Entstehen einer neuen politischen Kultur aufgeworfen, deren Ausdruck IB sei. Bisher hat sich dies als zutreffend erwiesen.
III.3.6 Februar 2009
Die vorgezogenen Wahlen, die aufgrund des Rücktritts von Ehud Olmert im Oktober 2008 nötig wurden, standen unter dem Eindruck des Gaza-Krieges im Dezember 2008/Januar 2009. Umfragen sahen einen klaren Sieg des rechten Lagers und einen neuen Premierminister Netanjahu voraus. IB wurde ebenfalls ein weiterer Stimmengewinn vorausgesagt. Auch wenn die Kadima Partei wider alle Erwartungen stärkste Partei wurde, erhielt Netanjahu den Auftrag zur Regierungsbildung.
IB verbesserte erneut ihr Ergebnis und wurde mit 11,7% (15 Sitze) drittstärkste Kraft. Im Vorfeld der Wahl wurde von einer regelrechten ?Liebermania? gesprochen. In Umfragen wurde das gute Abschneiden von IB vor allem unter Jungwählern thematisiert. Zur Zeit scheint eine Regierungsbeteiligung von IB sicher zu sein. Lieberman fordert als Bedingung das Außenministerium. Vor allem die EU hat wiederholt vor einer Regierungsbeteiligung dieser Partei gewarnt, da sie für einen Friedensprozess unter diesen Umständen kaum noch eine Chance zu erkennen glaubt. Aus den USA sind bisher noch keine Stellungnahmen bekannt. Genauere Analysen lagen bei Fertigstellung dieser Arbeit noch nicht vor.
IV. Erklärungsversuche
Ansätze, die die rechte politische Ausrichtung vieler Russen und ihre anti-arabischen Einstellungen zu erklären versuchen, lassen sich in drei Gruppen unterteilen.
1. Ein Ansatz erklärt dieses Verhalten aus der Situation, in der sich die Russen in Israel befinden. Als Juden sind sie Teil der Mehrheitsgesellschaft. Wegen ihrer spezifischen Sozialisation werden sie nicht als vorbehaltlos dazugehörig betrachtet und sind damit irgendwo zwischen den anderen gesellschaftlichen Gruppen Ashkenasim, Sepahrdim/Misrachim und Arabern angesiedelt. Hieraus ergibt sich eine natürliche Konkurrenzsituation mit anderen Gruppen um Jobs, Wohnraum, Ressourcen etc. Wegen ihrer zum Teil gezielten Ansiedlung in Galiläa und im Negev besteht diese Konkurrenz hauptsächlich mit den dort lebenden Arabern. Diese wiederum sehen in den Russen Neunankömmlinge, die in kürzester Zeit viele Privilegien in Anspruch nehmen können, die ihnen als diskriminierter Minderheit jahrzehntelang vorenthalten wurden. Die Russen erfüllen in diesem Zusammenhang die Rolle einer "Minderheit in der Mehrheit", die gegen die Gruppe, die in der ethnischen Hierarchie noch weiter unten steht, eine ablehnende Haltung einnimmt. Sowohl Dina Siegel als auch Majid Al-Haj betonen, dass diese Situation nicht zwangsläufig zu Feindseligkeiten geführt hat, sondern auch Formen der Minderheitensolidarität entstehen ließ, die aber Ausnahmen blieben.
2. Ein zweiter Ansatz sieht die Ursachen für politische Einstellungen der Russen in ihrer spezifischen sowjetisch-geprägten Mentalität. Manche Autoren bezeichnen dies als "Homo Sovieticus". Weiter verschärft wird diese Mentalität zumindest der früheren Einwandererjahrgänge durch ein hohes Maß an Unwissen über die israelische Gesellschaft und die konkrete Situation vor Ort. Diese speziellen Einstellungen werden entsprechend auf die israelische Gesellschaft übertragen. Zu den Charakteristika dieser Mentalität gehört den genannten Autoren zufolge:
- Ein in der Sowjetunion existierender weißer, russischer Chauvinismus, der sich vor allem gegen die dunkelhäutigen Menschen viele von ihnen Moslems aus dem Kaukasus und Zentralasien richtete. Obwohl die Juden der Sowjetunion oft selbst Opfer dieser Minderheitendiskriminierung wurden, sind sie ihrerseits nicht frei von ähnlichen Denkmustern.
- Eine Kultur der Stärke und Unnachgiebigkeit gegenüber vermeintlichen oder tatsächlichen Feinden, sowie der einer kämpfenden Gesellschaft. Hinzu kommt ein binäres Weltbild, das nur nach "Gut" und "Böse" unterscheidet, in dem man sich selbst in einer von Feinden umgebenen Umwelt sieht ("Enemy Complex").
- Ein weiteres Charakteristikum ist das einer wenig entwickelten demokratischen Kultur und eines Vertrauens in eine starke, autoritäre Führung, verbunden mit einem hohen Stellenwert von Sicherheit und Ordnung. Dazu gehört auch eine tief sitzende Skepsis gegenüber den Möglichkeiten des Einzelnen, das politische Geschehen zu beeinflussen.
- Der in der Sowjetunion existierende Antizionismus, der praktisch zur Staatsraison gehörte, und die damit einhergehende Unterstützung der Palästinenser und arabischen Staaten, die ihrerseits eine explizit anti-israelische Haltung vertraten.
- Die unterschiedliche Geographie: Der Kotrast der geographischen Größe der riesigen Sowjetunion mit nahezu unendlichen natürlichen Ressourcen gegenüber dem winzigen Israel mit seiner hohen Bevölkerungsdichte lassen bei vielen Immigranten eine kompromisslose Haltung in der Frage territorialer Zugeständnisse entstehen.
- Bis auf den dritten Punkt sind dies alles Einstellungen, die sich in der konkreten, israelischen Situation gegen Araber im Allgemeinen und Palästinenser im Besonderen richten.
Die Bedeutung israelspezifischer Faktoren. Durch eine einseitige zionistische Sozialisation durch israelische Programme für Neueinwanderer entsteht ein wenig differenziertes, negatives Bild der Palästinenser und Araber, das diese zudem noch als monolithischen Block darstellt und Stereotype reproduziert.
Hinzu kommt, dass antiarabische Ressentiments und Feindbilder ohnehin im israelischen Mainstream weit verbreitet sind und sich die Gesellschaft seit den 1990er Jahren nach rechts bewegt hat. Den arabischen Israelis kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle als "Fünfte Kolonne" zu. Erstaunlicherweise werden Formen gesellschaftlicher Dissidenz, wie sie von vielen jüdischen Russen in der Sowjetunion praktiziert wurden, den Minderheiten in Israel nicht zugestanden.
Auf einen ansonsten nicht beachteten Punkt weist Dina Siegel hin, wenn sie beschreibt, dass viele Russen die arabischen Israelis nicht unbedingt als diskriminierte Minderheit, sondern als Teil des israelischen Establishment wahrnehmen ? zu dem sie eben (noch) nicht gehören. Alle diese Faktoren zusammen ergeben Erklärungsansätze für die spezifische politische Ausrichtung russischer Neueinwanderer.
Die Masseneinwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion hat die israelische Gesellschaft nachhaltig verändert. Gleichzeitig änderten sich auch die Einwanderer durch die Herausbildung einer neuen, den veränderten Umständen angepassten sozialen Identität. Die Einwanderer israelisierten sich, während die israelische Gesellschaft sich in bestimmten Bereichen russifizierte. Wichtige Trends dieser Russifizierung, die Veränderung der politischen Landschaft und vor allem die Herausbildung rechter, antiarabischer Positionen, wurden in dieser Arbeit analysiert.
Anti-arabische Ressentiments sind zu einem gewissen Ausmaß Teil der israelischen Mehrheitsgesellschaft. Zusätzlich haben die beschriebenen Trends aus einem großen Teil der russischen Immigranten eine spezielle araberfeindliche Gruppe innerhalb der israelischen Gesellschaft gemacht. Diese spezifische Form antiarabischer Einstellungen stellt gleichzeitig auch eine Besonderheit innerhalb der israelischen Rechten dar. Die Stärke und zunehmende Akzeptanz von IB gibt Transfer- oder Austauschlösungen eine größere Gewichtung, wie sie bis dahin durch andere rechte Parteien, die niemals die Grenze von 10 Abgeordneten erreichen konnten, undenkbar gewesen wäre. IB als Teil des rechten Randes des politischen Spektrums ist damit auch Teil des israelischen Mainstreams geworden.
Trotz dieser neuen Qualität repräsentiert diese Partei in nicht unerheblichem Maße Einstellungen aus der Bevölkerung und übt dabei eine besondere Attraktivität auf russischstämmige Israelis aus. Der generelle Trend nach rechts und zu araberfeindlichen Einstellungen der israelischen Gesellschaft hängt zweifelsohne noch von anderen internen wie externen Faktoren ab. Zu nennen sind die zweite Intifada und weitere Kriege, die Verschiebungen seit 9/11, die radikale Siedlerbewegung, das Erstarken islamistischer Bewegungen und ein zunehmender Antisemitismus.
Die von Viacheslav Konstantinov aufgeworfene Frage, ob diese neue politische Kultur die Bezeichnung "Drittes Israel" verdient, ist also berechtigt.
"The electoral behavior of these immigrants (...) displays certain dominant trends, and these indicate that a new political culture is being formed. This culture differs from that of the established Ashkenazi Israeli population ("First Israel") (...), as well as from the traditional Sephardi Israeli population ("Second Israel"). (...) As the determinants of the new political culture are not transient, the influence of the immigrants from the former USSR on the political system in Israel is not transitory. The question then arises whether we are witnessing the emergence of a "Third Israel".
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