Kleinwaffen und leichte Waffen - die wahren Massenvernichtungswaffen
Während über die Beschränkung und den Abbau von atomaren, biologischen und chemischen Waffen bereits seit Jahrzehnten verhandelt wird, sind Kleinwaffen und leichte Waffen ein relativ neues Thema auf der Agenda der Rüstungskontrolle. Dabei gelten sie aufgrund ihrer leichten Verfügbarkeit und Handhabung als die eigentlichen Massenvernichtungswaffen in Gewaltkonflikten. So finden jedes Jahr mehr als eine halbe Million Menschen durch Kleinwaffen den Tod.
Kleinwaffen (Gewehre, Pistolen, Maschinengewehre, etc.) und leichte Waffen (Minen, Mörser, Granatwerfer, Luftabwehrraketen) sind die Waffen die in den so genannten neuen oder "kleinen Kriegen" und Bürgerkriegen zum Einsatz kommen. Vor allem die russische Maschinenpistole Kalaschnikow AK-47, das amerikanische Sturmgewehr M-16 und das deutsche G3-Schnellfeuergewehr sind Bestseller auf dem schwarzen Waffenmarkt. Kleinwaffenkontrolle ist ein komplexes Thema bei dem Ergebnisse und Erfolge aufgrund der schlechten Datenlage nur schwer messbar sind. Laut Jahresbericht des Schweizer Projekts "Small Arms Survey" werden jedes Jahr mehrere Millionen Kleinwaffen hergestellt. Mindestens 875 Millionen Kleinwaffen, also Pistolen, Gewehre und auch tragbare Panzerfäuste seien im Umlauf. Waffen, die nach der Auflösung der sowjetischen und anderen Armeen nach 1989 in Massen verschwunden sind. Davon befindet sich ca. die Hälfte im Privatbesitz. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und seinen monströsen High-Tech-Waffen wurde ihnen wenig Aufmerksamkeit zu Teil, obwohl ca. 90 Prozent aller Kriegsopfer durch diese Waffen ums Leben kommen. Die Waffen, mit denen weltweit Warlords, Terroristen und Kindersoldaten bewaffnet sind, stammen meist aus überschüssigen Beständen und illegalem Handel. Die Vereinten Nationen schätzen die Zahl der weltweit zirkulierenden Kleinwaffen und leichten Waffen auf 600 Millionen. In den neunziger Jahren wurden in 47 der insgesamt 49 größeren Konflikte Kleinwaffen und leichte Waffen als Hauptkampfmittel eingesetzt.
Es gibt eine ganze Reihe von Bemühungen auf internationaler Ebene zur Kontrolle von Kleinwaffen bspw. im Rahmen der EU ("Strategie der EU zur Bekämpfung der Anhäufung von Kleinwaffen und leichten Waffen und dazugehöriger Munition sowie des unerlaubten Handels damit", 13. Januar 2006) und der OSZE ("OSZE-Dokument über Kleinwaffen und leichte Waffen" von 2000). Hervorzuheben ist insbesondere das 2001 verabschiedete "UN-Aktionsprogramm zur Verhütung, Bekämpfung und Unterbindung des unerlaubten Handels mit Kleinwaffen und leichten Waffen". Darin wird u.a. empfohlen:
- die Stärkung und Entwicklung von Normen und Institutionen zur Kontrolle von Kleinwaffen, einschließlich illegaler Produktion, Besitz, Handel, Waffentransfers, Lagerung und Markierung;
- die Identifizierung und Registrierung von Überschusswaffen aus staatlichem Besitz, die nicht mehr benötigt werden;
- die Entsorgung bzw. Zerstörung von sichergestellten und überschüssigen Waffen;
- Programme zur Zerstörung bzw. Einsammlung von Kleinwaffen sowie zur Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration von ehemaligen Kombattanten sowie
- verstärkte internationale Zusammenarbeit.
Während sich also auf deklaratorischer Ebene einiges getan hat, kommt die Umsetzung des Programms gerade in den betroffenen Regionen nur schleppend voran. Trotz der Einigung auf politisch verbindliche Standards ist weder eine Sanktionierung bei Verstößen noch eine rechtliche Verpflichtung der Staaten, das Aktionsprogramm in nationale Gesetzgebung umzusetzen, vorgesehen. Hinzu kommt, dass Kleinwaffenkontrolle letztlich nur dann effektiv sein kann, wenn die Ursachen für die Nachfrage berücksichtigt werden. Diese liegen im Problemkreis von schwacher Staatlichkeit, defizitären Sicherheitsstrukturen, Armut und Unterentwicklung und entziehen sich deshalb den Kriterien der klassischen Rüstungskontrolle. Ein weiterer wichtiger Punkt, an dem Rüstungskontrolle und Abrüstung immer wieder an ihre Grenzen stoßen, ist der transnationale Waffenhandel, also der Waffenhandel nichtstaatlicher Akteure an nichtstaatliche Akteure, der wiederum eng verbunden ist mit der organisierten Kriminalität und der Ausbeute von Ressourcen.
2006 fand in New York die erste Überprüfungskonferenz statt, die jedoch ohne ein Ergebnis zu Ende ging. Zu den traditionellen Blockierern gehören wichtige waffenproduzierende Länder wie die USA (und die dortige einflussreiche Lobbygruppe "National Rifle Association"), Russland, China, Indien, Pakistan, Iran und Kuba. Dahinter stecken auch wirtschaftliche Interessen der Kleinwaffen produzierenden Staaten, obwohl das Gesamtvolumen der Kleinwaffentransfers nur einen kleinen Teil des konventionellen Waffenhandels ausmacht.
Fest steht jedenfalls, dass die destabilisierende Anhäufung und unerlaubte Herstellung und der unerlaubte Handel mit Kleinwaffen und leichten Waffen sowie deren unerlaubte Verschiebung in vielen Regionen der Welt bewaffnete Konflikte intensiviert und verlängert, die Dauerhaftigkeit von Friedensabkommen untergräbt, eine erfolgreiche Friedenskonsolidierung behindert, Anstrengungen zur Verhütung bewaffneter Konflikte erschwert und die Bereitstellung humanitärer Hilfe erheblich behindert.
Was bleibt zu tun? Auf internationaler Ebene müssen die Umsetzung des Aktionsprogramms der Vereinten Nationen, die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von Kleinwaffen und leichten Waffen sowie die Ratifizierung des Protokolls gegen die illegale Herstellung von Feuerwaffen und den illegalen Handel weiter verfolgt und umgesetzt werden. Die internationalen Sanktionsregelungen und ihre Überwachung sowie die Ausfuhrkontrolle müssen verschärft werden.
Auf regionaler Ebene müssen die Initiativen der afrikanischen Länder südlich der Sahara besonders gefördert werden, indem regionale und nationale Organisationen finanziell und technisch unterstützt werden (Moratorium der ECOWAS und Konvention von Nairobi. Auch die Mittel der Afrikanischen Union und anderer regionaler Organisationen sollten erhöht und die Maßnahmen der OSZE zur Bekämpfung von Kleinwaffen unterstützt werden.
Bei aller berechtigten Kritik hat das Kleinwaffenaktionsprogramm immerhin bei einer Mehrheit der Staaten zu einem Bewusstseinswandel geführt und eine aktive Zivilgesellschaft geschaffen. Zahlreiche Staaten haben begonnen, ihre nationale Gesetzgebung zu überprüfen und die Bekämpfung des unkoordinierten Kleinwaffenhandels zu koordinieren. Auch wenn noch eine Menge zu tun bleibt, sind dies doch Schritte in die richtige Richtung.