Wie weiter mit dem Iran?

Die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union (EU) und der Islamischen Republik Iran zur Beilegung der Atomkrise sind vorerst gescheitert. Das Brechen der Siegel in der Wiederaufbereitungsanlage von Natanz ist ein Bruch der Pariser Vereinbarung vom 15. November 2004, in der sich Teheran verpflichtet hatte, während der Gespräche auf die Urananreicherung und damit verbundene Aktivitäten zu verzichten. Der einseitige Verstoß gegen die Verabredung hat den letzten Rest an Vertrauen zerstört. Verlässlichkeit und Kompromissbereitschaft sind aber unerlässlich, um internationale Krisen durch Diplomatie zu lösen. Deshalb sollten die offiziellen Gespräche jetzt unterbrochen werden. Derzeit gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass sie noch zu einem Ergebnis führen würden.

Jetzt sollte die Zeit genutzt werden, um die bisher gemachten Erfahrungen zu bewerten, veränderte Strategien und Instrumente zu erwägen, neue Bündnispartner zu gewinnen und den Prozess durch atomare Rüstungskontrolle zu begleiten. Vorab bleibt festzustellen: Das Scheitern der Gespräche bedeutet nicht, dass der mit der Teheraner Erklärung vom 22. Oktober 2003 eingeleitete Weg grundsätzlich falsch war. Seitdem sind die Motivlagen auf allen Seiten transparenter geworden und die Entscheidungsträger im Iran eindeutiger identifizierbar. Vor allem aber ist Iran nicht mehr in der Lage, seine Absichten weiter im Verborgenen zu betreiben. Denn nicht nur die Mitgliedsländer der EU und die USA sind besorgt über die Aktivitäten in Isfahan, Natanz, Busher, Parschin und Arak - auch die Anrainerstaaten am Persischen Golf sind alarmiert. Auch Russland und die VR China unterstützen verhältnismäßig offen die Verhandlungen der EU-3. Zudem ist die Überwachung und Aufdeckung illegaler Exportaktivitäten nun besser geworden. Allein das ist ein kleiner Lichtblick.

Was also, ist in den kommenden Monaten zu tun? Erstens muss eine vorurteilsfreie Bewertung der bisherigen Gespräche versucht werden. Die EU und die Internationale Atomenergiebehörde sollten ihre Erfahrungen austauschen und gemeinsam bewerten. Dabei gilt es auch zu erörtern, wie ein möglicher Sanktionskatalog aussehen könnte. Zweitens muss ein erweiterter Verhandlungsrahmen aufgebaut werden. Dabei gehören insbesondere die Länder an den Tisch, die Einfluss oder Ansehen im Iran genießen, wie die VR China und Indien. Die Verantwortlichen in Teheran versuchen derzeit, das Energiebedürfnis beider aufstrebenden Wirtschaftsmächte auszunutzen. Dagegen steht, dass sowohl die VR China, als auch Indien eine weitere Atomwaffenmacht in der Region nicht akzeptieren werden wollen. Dieses Interesse muss für weitere Verhandlungsansätze genutzt werden. Darüber hinaus sollten auch die so genannte blockfreie Staaten, etwa Südafrika und die Golfstaaten, stärker mit einbezogen werden - auch und gerade bei der Ausgestaltung möglicher Sanktionen. Vor allem aber müssen die USA effektiver in eine neue Verhandlungsstrategie eingebunden und deren Gestaltungskraft genutzt werden. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Stimmen innerhalb und außerhalb Washingtons, die ein stärkeres diplomatisches Engagement ihres Landes fordern. Drittens müssen weitere Verhandlungsziele erörtert werden. Nicht allein das Wissen und die Möglichkeiten zur Urananreicherung sind ein Indiz für die Atomwaffenfähigkeit eines Landes. Entscheidender ist vielmehr die Fähigkeit, atomare Sprengköpfe zu entwickeln Deshalb müssen bei neuen Verhandlungen auch die iranischen Trägersysteme berücksichtigt werden. Mit ihrer derzeitigen Reichweite zielen die Raketen bis Israel und in Teile der Türkei - und in einigen Jahren vermutlich bis nach Griechenland und Italien. Aber auch Pakistan, Turkmenistan ? und in absehbarer Zeit auch Russland und Indien liegen in der Reichweite iranischer Raketen. Viertens werden neue Initiativen keinen Erfolg haben, wenn sich nicht gleichzeitig die internationalen Rahmenbedingungen zugunsten der Rüstungskontrolle verändern. Der Vorschlag, die letzten Stufen der Urananreicherung in Russland vorzunehmen, wäre womöglich leichter umzusetzen gewesen, wenn diese Möglichkeit Teil des Atomwaffensperrvertrages wäre. Im Mai vergangenen Jahres scheiterte die Überprüfungskonferenz zu diesem Vertragswerk vor allem am Widerstand der USA und Frankreichs. Hilfreich wäre auch, wenn die Atomwaffenstaaten endlich ihre Abrüstungsverpflichtung ernst nehmen würden oder Indien und Pakistan zu einer verlässlichen Rüstungskontrolle bereit wären. Auch die atomare Bewaffnung Israels gehört - soll Rüstungskontrolle im Mittleren und Nahen Osten eine Chance haben - auf die Tagesordnung.

Die Hoffnung auf eine Lösung der iranischen Atomkrise ist vorhanden. Voraussetzung bleibt aber, dass sich Iran von seiner "Alles-oder-Nichts-Strategie" verabschiedet und wieder als ernstzunehmender Partner an den Verhandlungstisch zurückkehrt.
 

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Thema: 
Die iranische Atomkrise
Veröffentlicht: 
Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft, Heft 147, 1/2006, S. 10.