Die Verhandlungen mit dem Iran brauchen Zeit und weitere Initiativen
Mit der Ankündigung Irans, die Atomanlage in Isfahan wieder in Betrieb zu nehmen, ist erneut ein heftiger Streit um das iranische Atomprogramm entbrannt. Drohungen und Gegendrohungen beherrschen gegenwärtig die Schlagzeilen. Die Taktik der gezielten Provokationen ist nicht neu, sie erschwert aber eine diplomatische Lösung, zu der es keine Alternative gibt. Alle Beteiligten würden gut daran tun, auch verbal abzurüsten. Die Krise um das iranische Atomprogramm ist zu vielschichtig und zudem mit der Weiterverbreitung und neuen Einsatzoptionen von Atomwaffen verknüpft. Bei mehreren Besuchen und Gesprächen im Iran wurde mir schnell deutlich, dass das Atomprogramm vor allem eine Frage des Nationalstolzes ist. Das ist der eigentliche Konsens der sonst unterschiedlich denkenden und agierenden Gruppen im Iran. Ein Gesprächspartner brachte dies auf die einfache Formel: "Dann kann uns keiner mehr herumschupsen."
Wohlgemerkt: hierbei handelt es sich um die Beherrschung des gesamten Brennstoffkreislaufs. Diese Absicht ist nicht neu. Bereits der Schah wollte - mit Hilfe und Billigung der USA - zahlreiche Atomkraftwerke im Land bauen und betreiben. Die Wirren der Revolution, die Haltung des damaligen religiösen Oberhaupts Khomeni, der achtjährige Krieg gegen den Irak und die internationale Isolierung beendeten allerdings die ambitionierten Pläne. Heute sind diese Erfahrungen eine zusätzliche Triebfeder für das iranische Atomprogramm. Vor allem der Abzug westlicher Ingeneure von den Baustellen und der ausbleibende Protest, als der irakische Diktator Saddam Hussein Giftgas im Stellungskrieg einsetzen ließ, prägen bis heute die Wahrnehmung in den politisch-religiösen Zirkeln im Iran. Danach kann sich der Iran nicht auf auswärtige Akteure verlassen. Vertrauen und die Erwartung, dass Verhandlungsergebnisse zum Nutzen aller Seiten sein können, muss im Iran erst gefördert werden. Das erschwert die derzeitigen Verhandlungen zwischen Europa und dem Iran. Hinzu kommt ein berechtigtes Misstrauen in den westlichen Hauptstädten gegenüber den iranischen Gesprächspartnern. Heimlich haben die Verantwortlichen in Teheran Atomaktivitäten vorangetrieben, die eindeutig gegen völkerrechtliche Verträge verstoßen. Der Iran besitzt Raketen, die heute bereits atomare Sprengkörper bis nach Israel - unter Umständen sogar bis ins süd-westliche Mittelmeer - verschießen können. Der Aufbau einer Schwerwasserreaktorlinie und die Dimension der Wiederaufbereitungsanlage machen zudem nur unter militärischen Absichten einen Sinn. Alles in allem: die Voraussetzungen für eine Verhandlungslösung sind schwierig, aber lösbar - denn Wahrnehmungen und Motive können benannt werden. Auch an anderer Stelle konnte Gegnerschaft und Fehlwahrnehmung abgebaut werden. Wir in Europa haben davon profitiert. Warum sollte dies nicht auch gegenüber dem Iran gelingen. Beharrlichkeit und Geduld müssen überwiegen, denn selbst nach der jüngsten Einschätzung der US-Geheimdienste ist frühestens in zehn Jahren mit einer iranischen Atomwaffe zu rechnen. Einfacher wäre ein diplomatischer Konsens zudem, wenn die internationalen Rahmenbedingungen verändert werden könnten. Da ist einmal das nordkoreanische Atomwaffenprogramm. Nach dieser Logik ist Regimesicherheit nur mit Hilfe der Kernwaffe zu erreichen. Auch die Aneignung der Atomwaffe durch Pakistan und Indien hat die Verbreitung der Kernwaffen gefördert; bis hin zur Gefahr, dass Terroristen in den Besitz von Spaltmaterial gelangen. Zudem hat die internationale Gemeinschaft während der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag vor wenigen Monaten versäumt, internationale Ansätze zur Kontrolle der Urananreicherung zu ermöglichen. Sowohl die Atomwaffenstaaten wie auch einige Entwicklungsländer, darunter der Iran, haben einen Kompromiss verhindert. Es führt kein Weg daran vorbei: Auch die regulären Atommächte - allen voran die USA und Russland - müssen ihre Arsenale einschneidend und überprüfbar verringern. Sechzig Jahre nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima und angesichts der Gefahr von neuen Atommächten wir Iran und Nordkorea muss am Fernziel einer kernwaffenfreien Welt festgehalten werden.