In der SPD-Fraktion gibt es nun eine "Denkfabrik"

Berlin - Es kriselt in der SPD. Am Freitag traten sechs SPD-Bundestagsabgeordnete gemeinsam an die Öffentlichkeit und stellten sich als Vorhut einer neuen Partei-Strömung vor. Die Gruppe nennt sich "Denkfabrik" und repräsentiert vor allem etwas jüngere Parlamentarier um die 40 Jahre alt. Bekanntester Kopf aus der "Denkfabrik" ist die frühere Juso-Vorsitzende Andrea Nahles, die inzwischen im 13-köpfigen SPD-Präsidium sitzt. Auch dabei: die Abgeordneten Rolf Mützenich (Köln), Dietmar Nietan (Düren), Marco Bülow (Dortmund) sowie der Vize-Vorsitzende der Bayern-SPD, Florian Pronold.

Die meisten der "Denkfabrikanten" arbeiten bislang in der "Parlamentarischen Linken" mit. Dass sich daraus nun eine Gruppe Jüngerer herauslöst, spricht für die Aufweichung der klassischen Lager-Bildung in der SPD. Ganz lässt die "Denkfabrik" noch nicht erkennen, welche Geistesprodukte sie fertigen möchte. Die Initiatoren halten in ihrem ersten Aufruf den Sozialstaat in bisheriger Form für überholt, fügen aber hinzu: "Wir sind nicht der Meinung, dass all das mordern und richtig sein soll, was möglichst deutlich mit den bisherigen sozialdemokratischen Politik-Konzepten bricht."

Für eine eher "linke" Einordnung innerhalb der SPD-Gesäßgeographie spricht auch das Bekenntnis der "Denkfabrik" zu den "Grundwerten des demokratischen Sozialismus". Das Auffälligste daran ist das Sprach-Etikett: Man hält am Begriff "demokratischer Sozialismus" fest - ein klangvolles Wort, das sich aber einer klaren Definition entzieht.

Die Fraktion und ihre Kreise

In drei wichtige Gruppen war die SPD-Fraktion mit ihren 249 Abgeordneten bislang aufgeteilt:

Die "Parlamentarische Linke" umfasst mehr als ein Drittel der Fraktion.

Der "Seeheimer Kreis" ist fast ebenso stark: er bildet den "rechten" Parteiflügel und gilt als des Kanzlers treuester Fanclub.

Die "Netzwerker" formierten sich 1999 als mittlere Strömung. Bei ihnen lässt sich Niedersachsens abgewählter Ministerpräsident Sigmar Gabriel häufig blicken.
 

Autor: 
Von Jochen Loreck
Veröffentlicht: 
Kölner Stadt-Anzeiger, 10.07.2004
Thema: 
Die neue Unterströmung vertritt eher das jüngere linke Parteispektrum