Politiker auf der Suche nach Sympathie

Betont locker gaben sich die Politiker im Gespräch mit Oberstufenschülern der Gymnasien in Sülz und Klettenberg - doch die wollten lieber über Lehrermangel als über die Freigabe von Drogen reden.

Sülz - "Sie versuchen, junge Wähler durch die Freigabe von Drogen zu gewinnen. Ist das alles, was Sie uns versprechen?" entrüstete sich eine Oberstufenschülerin und erntete dafür den tosenden Beifall ihrer Mitschüler. Allerdings: Genauso lebhaft war der Applaus einige Augenblicke zuvor, als sich die Kandidaten von FDP, Bündnis 90 / Grünen und der PDS für eine Freigabe leichter Drogen wie Haschisch aussprachen. Die Politiker gaben sich betont locker, um die Sympathie der Oberstufenschüler des Schillergymnasiums, der Elisabeth-von-Thüringen-Schule und der Hildegard-von-Bingen-Schule zu gewinnen. Denn immerhin rund die Hälfte der anwesenden Gymnasiasten können im September zum ersten Mal von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen.

Kritik und Skepsis zu den Forderungen ihrer Politikerkollegen nach einer liberalen Drogenpolitik äußerten der CDU-Bundestagskandidat Egbert Bischof sowie Rolf Mützenich, der im September für die SPD kandidieren wird.

Angezettelt worden war die Diskussion vom FDP-Kandidaten Marco Mendorf, der sich mit seinen 27 Jahren noch nahe an den wirklichen Problemen der Jugendlichen glaubte: "Ich habe nie verstanden, wieso es erlaubt ist, Kölsch zu trinken, aber nicht, einen Joint zu rauchen", meinte er. Matthias Birkwald, seit acht Jahren Mitglied der PDS-Fraktion im Bundestag, pflichtete ihm bei und forderte die rigorose Legalisierungvon Haschisch und Marihuana. Der dritte im Bunde war schließlich Volker Beck, rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Das Trio bekam kräftigen Applaus.

War das ehrlich gemeinte Zustimmung der Schüler? Nahmen sie die Politiker überhaupt noch ernst oder hatte die Gesprächsrunde zu diesem Zeitpunkt für sie schon den Unterhaltungswert einer der unzähligen Talkshows im Fernsehen angenommen? Endlich kam Widerspruch aus den Reihen der Gymnasiasten. "So beschränkt sind wir nicht!" rief eineSchülerin. "Uns interessiert doch vielmehr, wie es in der Bildungspolitik und auf dem Arbeitsmarkt weitergeht", pflichtete ihr ein Mitschüler bei. Was folgte, war übereinstimmendes Entsetzen aller Politiker über die Ergebnisse der PISA-Studie und eine politische Diskussion darüber, was alles besser gemacht werden muss.

Schließlich holte die Kritik eines Oberstufenschülers des Schillergymnasiums die Politiker wieder auf Kölner Boden zurück. "Bei uns fallen so viele Stunden aus, dass nur noch 60 Prozent des Unterrichts stattfinden." Da waren sich dann wieder alle Politiker einig: Es müssen unbedingt mehr Lehrer eingestellt werden.

Autor: 
Sylvia Demme
Veröffentlicht: 
Kölner Stadt-Anzeiger, 16.07.2002
Thema: 
Politiker im Gespräch mit Oberstufenschülern der Gymnasien in Sülz und Klettenberg