Irans Vorgehen löst weltweit Sorge aus

Die Regierungen von Washington bis Peking sprechen von beunruhigender Provokation.

Die Bekanntgabe des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad einer ersten erfolgreichen Urananreicherung hat im Westen und auch in Russland große Besorgnis ausgelöst. Teheran fordere mit seinem Nuklearprogramm offen die Welt heraus, hieß es in den USA. In Berlin erklärte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg, man habe die Ankündigung aus Teheran "mit großer Sorge" zur Kenntnis genommen. Russland erwarte, dass der Iran die internationalen Appelle berücksichtige und die Urananreicherung einstelle, hieß es aus dem Moskauer Außenministerium. Chinas UN-Botschafter äußerte sich ähnlich.

Ahmadinedschad zeigte sich am Mittwoch von der Kritik unbeeindruckt und kündigte einen weiteren Ausbau des Atomprogramms an. Der Iran werde sein Programm bis zur vollständigen Beherrschung des Nuklearkreislaufs fortsetzen. "Unsere Feinde können heulen, so viel sie wollen, wir lassen uns weder von psychologischen noch von politischen Druck von unserem Weg abbringen", erklärte der ultrakonservative Präsident. Tags zuvor hatte er angekündigt, dass der Iran erstmals erfolgreich Uran zur Energiegewinnung angereichert habe. Dies sei ein "historischer Erfolg". "Wir gehören jetzt zu den Nuklearmächten, und es gibt keinen Weg zurück", sagte er.

Die Anreicherung von Uran sei "ein weiterer Schritt des iranischen Regimes, die internationale Gemeinschaft herauszufordern", kritisierte der Sprecher des US-Außenministeriums, Sean McCormack. Damit isoliere sich der Iran nur noch mehr. Zuvor hatte ein Sprecher von US-Präsident George W. Bush von einem "Schritt in die falsche Richtung" gesprochen. Der israelische Generalstabschef Dan Haluz bezeichnete das iranische Atomprogramm als Bedrohung für eine freie und demokratische Welt. Israel habe aber keine unmittelbaren Pläne für einen Angriff auf iranische Atomanlagen, sagte Haluz im Armeeradio.

Der Direktor der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), Mohammed el Baradei, wollte am Mittwochabend nach Teheran fliegen. Er will versuchen, Teheran im Atomstreit doch noch zum Einlenken zu bewegen. El Baradei soll dem UN-Sicherheitsrat bis zum 28. April darüber berichten, ob der Iran sein Programm zur Urananreicherung bis dahin gestoppt hat.

In Berlin erklärte Vize-Regierungssprecher Steg, offenbar sei der Iran nicht bereit, "den Weg der Selbstisolation zu verlassen". Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sprach von einem Signal in die falsche Richtung. Nach einer Forsa-Umfrage halten es 54 Prozent der Deutschen für wahrscheinlich, dass die USA den Iran in nächster Zeit angreifen werden. 42 Prozent halten einen solchen Militärschlag dagegen für unwahrscheinlich.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU), kündigte an, er werde mit seiner grünen Ausschuss-Kollegin Marieluise Beck Anfang Mai nach Teheran reisen. "Ich warne davor, dass die Äußerungen weiter in einer Weise eskalieren, dass es immer schwerer wird, von den Bäumen, auf die man sich gegenseitig jagt, wieder herunterzukommen", sagte Polenz. "Es ist immer noch so, dass man fünf bis zehn Jahre braucht, um waffenfähiges Uran in ausreichender Menge zu produzieren." Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich sprach von einem "provokativen Verhalten" Teherans, das ernst zu nehmen sei. Allerdings müsse man "bis 2009 nicht mit einer Atomwaffe rechnen. Es bleibt noch genügend Zeit, um zu reagieren."

Autor: 
Von Markus Becker
Veröffentlicht: 
Kölner Stadt-Anzeiger, 13.04.2006
Thema: 
Teheran zeigt sich von internationaler Kritik unbeeindruckt und will Atomanlagen ausbauen